Handwerker starten ins Berufsleben Handwerk in der Krise? Diese 19 Gesellen trotzen dem Trend – Freisprechung in Wittenberg gefeiert
Mit der Übergabe der Gesellenbriefe endet für 19 junge Leute die Lehrzeit. Zum Festakt in den Piesteritzer Hof eingeladen hat die Kreishandwerkerschaft Wittenberg. Was geboten wird.

Wittenberg/MZ. - Es ist Freitag, früher Abend, und im Saal des Piesteritzer Hofes in Wittenberg erinnert sich Jens Schumann an seine Schulzeit. Ein Vertretungslehrer hatte mit der Klasse eine Art heiteres Beruferaten veranstaltet, bei dem deutlich wurde, dass etliche Schüler sich vorstellen konnten, später einmal einen handwerklichen Beruf zu ergreifen. Nun haben sich die Zeiten geändert.
Vom goldenen Boden
Schumann, selbst inzwischen stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HWK) Halle, zitiert aus einer Forsa-Umfrage: Danach hätten zwar 93 Prozent der befragten Deutschen angegeben, dass Handwerk für sie persönlich wichtig sei. Aber nur 36 Prozent schätzten das Ansehen als hoch ein. Viele junge Leute können sich den Schritt ins Handwerk, sagen wir mal, womöglich nur schwer vorstellen.

Welche Wohltat mag da der Blick in die Runde im Piesteritzer Hof sein: Dort werden an diesem 7. März zwei Gesellinnen und 17 Gesellen freigesprochen. 19 junge Menschen, die im Handwerk ihre Zukunft sehen oder die vielleicht die Auffassung von René Peper teilen. Der stellvertretende Kreishandwerksmeister moderiert den Abend und zitiert auch einen bekannten Spruch, wonach Handwerk goldenen Boden hat.
Zwei Frauen im Kfz-Bereich
Zu dieser Freisprechung im Handwerk eingeladen haben die Kreishandwerkerschaft im Landkreis Wittenberg und ihre Innungen Kfz, Metall und Elektro. Mit insgesamt 13 Absolventen ist die Kfz-Innung am stärksten vertreten. Und mit Leonie Josephin Bruhn (Autohaus Gottwald Jessen) und Vivien Hintze (Sammy’s Car-Shop Wittenberg) sind dort auch die einzigen weiblichen Gesellinnen des Abends vertreten. Vier Gesellen kommen aus der Elektro- und zwei aus der Metall-Innung.

Erhalten haben sie alle an diesem Tag nicht nur ihre Gesellenbriefe, respektive die Entlassung aus ihrer Lehrzeit, sondern auch Geschenke. Etwa bekommen sie kleine Köfferchen ausgehändigt, deren Aufschrift „Unterwegs mit Keks“ auf den Inhalt schließen lässt.
Man nehme die Boxen von Wikana gern, nicht zuletzt, wie Simone Schneider später zur MZ sagt, weil Wikana auch für Wittenberg steht. Schneider ist Regionalbeauftragte der HWK Halle und leitet das Büro der Kreishandwerkerschaft. Die habe im Landkreis 140 Mitglieder, zusammen mit der Innung Nordost Parkett- und Fußbodentechnik kommen sie auf rund 350.
Holt mal einer den Besen?
Zur Gesellenfreisprechung im Piesteritzer Hof sorgt Schneider mit anderen mit für reibungslose Abläufe. Ziemlich voll besetzt ist der Saal, von 150 Gästen war im Vorfeld die Rede, unter ihnen auch Angehörige der Gesellen, dito lokale Politprominenz.

Wittenbergs Bürgermeister André Seidig (parteilos) ist da. Und Landrat Christian Tylsch (CDU), der eine launige Rede hält: „Keine Prüfungen mehr, kein ,Kann mal einer den Besen holen?’“, der aber auch mahnt: „Sie tragen jetzt Verantwortung für das, was sie tun.“ Und der den Ausbildungsbetrieben ebenso dankt wie den Lehrkräften. Die eigentliche Freisprechung der Gesellen übernimmt Kreishandwerksmeister Enrico Reinecke.
Wer die Besten sind
Was es noch gibt an diesem Märzabend? Zum Beispiel werden die besten Gesellen geehrt, die hier namentlich erwähnt sein sollen: Julius Fritz, Leon Ostmann, Fabian Reinbothe und Aaron Tandel. Den kulturellen Rahmen für die Veranstaltung liefert eine Band der Musikschule Teltow-Fläming, zu der sie von der Kreishandwerkerschaft Kontakte haben.
Und es gibt ein Plädoyer für das Handwerk von dem eingangs erwähnten Jens Schumann, der auch auf eine bundesweite Kampagne hinweist. Deren Motto lautet „Wir können alles, was kommt“. Wie es online vonseiten der HWK heißt, soll die Kampagne Zuversicht vermitteln und junge Menschen für über 130 Ausbildungsberufe begeistern.