Geschichte der Wende Geschichte der Wende: Mehrgenerationenhaus zeigt, was sich verändert hat

Wittenberg - Es geht ihnen um den Prozess, nicht um einzelne Daten: Das Mehrgenerationenhaus Wittenberg möchte sich wie viele andere beteiligen an den Erinnerungen zum Jubiläum 30 Jahre „Friedliche Revolution“, nur eben ein bisschen anders. „Wir haben versucht, eine Nische zu finden“, erklärt Klaus Edgar Wichmann. Er und Martina Matussek, Projektleiterin im Haus, wollen versuchen, die Entwicklungen, die sich ab dem Herbst 1989 in so kurzer Zeit vollzogen haben, anschaulich zu machen. Angefangen vom Mauerfall bis hin zur Volkskammerwahl im März 1990 und der gesamtdeutschen Wahl Ende des Jahres.
Matussek und Wichmann recherchieren zurzeit, um eine Ausstellung unter dem Motto „Wende, Wahlen, Wir“ auf die Beine zu stellen, die Ende Januar eröffnet werden soll - mit einer Podiumsdiskussion, deren Teilnehmer bereits feststehen. Dabei sind Horst Dübner, ehemals Kreissekretär der SED, und Eckhard Naumann, langjähriger Oberbürgermeister von Wittenberg und eher Oppositionskreisen zuzurechnen.
Dritter im Bunde ist einer, der 1989 erst geboren wurde: Sepp Müller, Bundestagsabgeordneter der CDU. „Was hat sich in den Köpfen der Leute verändert?“ Nicht zuletzt das zu erfahren, könnte interessant sein, meint Markus Schuliers, der Leiter des Wittenberger Mehrgenerationenhauses.
Die Macher der Schau bringen verschiedene Perspektiven mit, sie sind auch unterschiedlicher Herkunft. Martina Matussek stammt aus Wittenberg, ist gelernte Bürokauffrau und stand der DDR kritisch gegenüber. „Mir ist das plötzlich wieder alles sehr nah“, sagt sie angesichts der Jubiläen und der Beschäftigung mit der Geschichte, die sich vor 30 Jahren ereignete.
Sie machte sich gemeinsam mit ihrem Mann noch in den Wendetagen selbstständig in der Gastronomie: „Ich weiß noch, dass wir einen Antrag stellten beim Rat des Kreises, um mit Ost- und Westmark handeln zu dürfen.“ Martina Matussek erinnert sich zudem daran, einst Eier im Westen verkauft zu haben, um im Anschluss bei „Metro“ mit D-Mark für die Gaststätte Waren erwerben zu können. Sie sagt aus heutiger Perspektive: „Sicher ist einiges falsch gelaufen, aber wie hätte es unter dem immensen Druck anders sein können?“
Wichmann hingegen stammt aus Hannover, er studierte in den 1960er Jahren in München und Berlin und „erlebte dort die großen Demonstrationen“. Er hat bei Zeitungen und beim Rundfunk gearbeitet, eigentlich aber zog es ihn zum Theater, bei dem Klaus Edgar Wichmann schließlich als Dramaturg landete: in Ulm, Kiel, Mainz, Gelsenkirchen - für ein halbes Jahr auch beim Mitteldeutschen Landestheater in Wittenberg.
„Ich hatte mich hier wohl gefühlt, die Atmosphäre war eigenartig und einzigartig“, beschreibt er. Das habe wohl daran gelegen, dass alle alles machen müssen in einem so kleinen Hause. Auf jeden Fall bescheinigt er dem längst abgewickelten Theater, „große Ambitionen“ gehabt zu haben.
Schuliers und Wichmann, der inzwischen 78 Jahre zählt, kennen sich seit langem, schon vor der Wittenberger Zeit, sie haben mehrere Projekte gemeinsam realisiert. Er lebt inzwischen in Itzehoe, wo seine Frau am Theater arbeitet, ist aber öfter in Wittenberg - jetzt sowieso, um die Ausstellung vorzubereiten.
Arbeiten wollen sie stark mit „veröffentlichter Geschichte“, mit dem also, was etwa in Zeitungen stand damals. Beispielsweise mit Titelbildern des „Spiegel“, wenn die Genehmigung denn nicht zu teuer wird. Die Ausstellung soll das „Große im Kleinen spiegeln“ und ein offenes Ende haben, sagt Wichmann, der sich selber im Rückblick ein Urteil nicht anmaßen möchte. Er sagt lediglich: „Manches würde sicher besser sein, wäre der Prozess langsamer abgelaufen.“ (mz)