Direktkandidaten im Wahlkreis 25 Friedbert Morgner: Regionalverkehr soll gestärkt werden

Wittenberg - Wenn die Rede auf die Bahn kommt, „könnte ich zum ...“. Friedbert Morgner vollendet den Satz lieber nicht. Dabei ist er ein Mensch, der nüchtern analysiert und sachlich argumentiert - Naturwissenschaftler eben. Seit 25 Jahren fährt der Wittenberger jeden Arbeitstag mit Fahrrad und Zug nach Dessau und zurück.
Friedbert Morgner wurde 1951 geboren. Er stammt aus Ellefeld im Vogtland, wohnt seit 1961 in Wittenberg. Sein Abitur hat er am Piesteritzer Lucas-Cranach-Gymnasium gemacht. Er studierte Physik. Im Landesamt für Verbraucherschutz arbeitet er in der Gewerbeaufsicht und ist speziell für den Bereich Strahlenschutz zuständig. Ende der 1980er Jahre engagierte er sich in der Bürgerbewegung und kam so zum Bündnis 90/Die Grünen. Er war langjähriger Vorsitzender des Kreisverbandes und es war sein eigenes Bestreben, sich 2013 in dieser Funktion von Reinhild Hugenroth ablösen zu lassen.
Friedbert Morgner ist verheiratet, Vater zweier Kinder und vierfacher Großvater. Er liebt das Wandern - per Pedes, auf dem Fahrrad und wenn es möglich ist, auch mit Skiern. Sein Sehnsuchtsziel dabei ist der sächsisch-böhmische Kammweg. Außerdem widmet er sich dem Veredeln von Obstbäumen.
Verfechtern umweltfreundlicher Verkehrsmittel werde es immer schwerer, gute Argumente dafür zu finden, erst recht wenn sich der Ölpreis wie jetzt auf Talfahrt befindet. 2,60 Euro müsste der Liter Sprit kosten, um 8,60 Euro für ein einfaches Bahnticket nach Dessau aufzuwiegen, rechnet Morgner vor. Da ist über Service und Pünktlichkeit noch kein Wort gesagt. Und „ganz schrecklich“ findet er die Tendenz, „Haltepunkte auf den Mercedes-Strecken zu opfern, nur damit der ICE eine halbe Stunde früher aus Berlin in München ist“.
Dabei, sagt er „werden die meisten Menschen im Regionalverkehr befördert“. Damit wäre ein erstes Arbeitsfeld für ihn im Landtag schon abgesteckt. Morgner würde da noch weiter gehen: Die touristische Erschließung einzelner Regionen - also auch des Landkreises Wittenberg - mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist ein politisches Steckenpferd, das er schon seit Jahren reitet. An den Wochenenden eine touristische Buslinie quer durch den Kreis mit Fahrradanhänger schwebt ihm vor. Dann würden „solche hervorragenden Veranstaltungen“ wie etwa der Radwandertag in der Glücksburger Heide noch besser frequentiert, meint er, und dass das auch ein lohnendes Projekt für die Leader-Förderung wäre, über die das Land mitentscheidet.
Welche Maßnahmen würden Sie treffen, um die hohe Zahl von Flüchtlingen gut zu integrieren?
ANERKENNEN: Durch Integrations- und Sprachangebote, zügige Asylverfahren, schnelle Anerkennung von Berufsabschlüssen, Einbindung der Wirtschaft in Ausbildung und Beschäftigung, Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten bei der Unterbringung (Anzahl!), unbedingte Nutzung der vor Ort gesammelten Erfahrungen.
Es fehlt im Land vor allem an hoch qualifizierten und gut bezahlten Jobs. Wie soll das geändert werden?
UMSTEUERN: Sechs Arbeitsverträge in fünf Jahren an Unis, Hochschulen oder Forschungsinstituten lassen keine sichere Familienplanung zu. Kürzungen bei diesen fördern nicht das Bleiben, hier muss finanziell und rechtlich umgesteuert werden. Fördern von zukunftsfähigen innovativen Entwicklungen ja, aber unter Kontrolle!
Wofür wollen Sie sich - im Falle Ihrer Wahl - als Landtagsabgeordneter ganz besonders einsetzen?
FÜR GERECHTIGKEIT: Gute Bezahlung der Abgeordneten o.k., aber Anpassung der Pensionen an das Niveau der Deutschen Rentenversicherung, das hat was mit sozialer Gerechtigkeit zu tun! Auch ältere Mitbürger sollen durch mich eine Stimme im Parlament haben. Pflegedienste sind gesellschaftlich und finanziell aufzuwerten.
Orte werden vom Bahnverkehr abgekoppelt. Welche Chancen sehen Sie, die Tendenz zu stoppen?
VERNETZT: Bei der Vergabe durch das Land muss der Erhalt von Strecken, Haltepunkten, Takt und Vernetzung ein Schwerpunkt sein. Und endlich mal Pünktlichkeit! Beibehaltung des Fahrkartenverkaufs im Zug, der kostenlosen Fahrradmitnahme. Grenzübergreifende Gültigkeit des Hoppertickets nach Brandenburg und Sachsen.
Grundschulen sind in ihrem Bestand bedroht. Setzen auch Sie auf Mindestschülerzahlen?
GEMEINSAM: Geht es um Klassengrößen und Schulverbünde, brauchen wir mehr Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort. Schulverbünde von Grund- und Gemeinschaftsschulen sind eine gute Möglichkeit für längeres gemeinsames Lernen und damit den Erhalt von Grundschulen.
Seit 1994 habe er regelmäßig auf Kandidatenlisten gestanden für Kommunal-, Landrats- und Landtagswahlen. Dies soll jetzt seine letzte Kandidatur sein, sagt er. Über seine Chancen auf das Direktmandat mache er sich keine Illusionen. Und über die Listen sei es ihm wichtiger, junge Leute in die Parlamente zu bekommen. Weil er beruflich auswärtig arbeite, sei er in Wittenberg wenig bekannt. Mit reinen politischen Statements hält sich Morgner zurück, diskutiert aber dort gern mit, wo es um die Sache geht, wie jüngst beim Forum zur Tierhaltung in Wittenberg, das sein Kreisverband organisiert hatte. „Die großen Tierhaltungen“ - damit meint Morgner Dimensionen wie Düben und Gerbisbach - „machen die kleinen kaputt“. Andere Rahmenbedingungen müsse aber die Politik setzen. Schweinehaltung würde er auf maximal 2.000 Tiere begrenzen lassen. „Es würde keiner hungern. Ich wundere mich, dass die Bauernverbände das nicht stärker angehen.“
Rund 1,9 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Bei der Landtagswahl 2011 lag die Wahlbeteiligung bei 51,2 Prozent. Es treten landesweit 15 Parteien zur Wahl an. Insgesamt 423 Kandidaten wollen ins Parlament einziehen. Sachsen-Anhalts Landtag hat künftig nach einer Parlamentsreform mindestens 87 Abgeordnete.
Jeder Wähler hat zwei Stimmen. In den 43 Wahlkreisen wird per Erststimme je ein Abgeordneter direkt gewählt. Die übrigen Mandate werden entsprechend der Zweitstimmen über die Landeslisten verteilt.
Bislang sind vier Parteien im Landtag. Zuletzt gehörten 68 Abgeordnete der Regierungskoalition (CDU 42, SPD 26) an. Die Linke stellte 28 und die Grünen 9 Abgeordnete. Zu Beginn der Wahlperiode war die Sitzverteilung noch leicht anders, weil eine Linke-Abgeordnete zwischenzeitlich zur CDU wechselte.
Spitzenkandidat der CDU ist Ministerpräsident Reiner Haseloff (61). Die Linkspartei stellte ihren Fraktionsvorsitzenden Wulf Gallert (52) auf Platz eins. Die SPD zieht mit Fraktions- und Parteichefin Katrin Budde (50) in den Wahlkampf. Bei den Grünen ist Fraktionschefin Claudia Dalbert (61) das Aushängeschild. Die Alternative für Deutschland (AfD) tritt mit Landeschef André Poggenburg (40) an, die FDP mit Frank Sitta (37).
Das Flüchtlingsthema dominiert zahlreiche Debatten. Aber auch die Wirtschaftslage, die Personalausstattung bei der Polizei oder Kosten für die Kinderbetreuung sind wichtige Themen.
Das letzte ZDF-„Politbarometer“ sah die CDU bei 33 Prozent, Linke und SPD jeweils bei 19 Prozent. Die AfD käme auf 15 Prozent, die Grünen müssten mit 5 Prozent um den Wiedereinzug in den Landtag bangen, die FDP würde scheitern.
Keine Partei will mit der rechtspopulistischen AfD zusammengehen. Daher wäre eigentlich nur die Fortsetzung der schwarz-roten Koalition möglich. Linke, SPD und Grüne zusammen hätten keine Mehrheit im Landtag.
Obwohl selbst Landesbediensteter, wenngleich kurz vor der Pensionierung, kritisiert Morgner die Sparpolitik der Landesregierung beim Personal. Dabei geht es ihm nicht nur um Polizei und Lehrer. Die Landespolitik habe auch eine Verantwortung gegenüber Absolventen von Universitäten und Hochschulen, von denen sich viele „auch in Landes-einrichtungen über Jahre von einem befristeten Vertrag zum anderen hangeln und keine Grundlage für ihre eigene Lebens- und Familienplanung haben“. Auch Morgners Sohn ist deshalb abgewandert - nach England. (mz)