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Drei Schwerverletzte nach Brand  Feuer-Drama in Wittenberg: Drei Menschen springen aus Fenster - schwerverletzt

Von Alexander Baumbach und Marcel Duclaud 30.07.2016, 19:17
Bei einem Brand in der Berliner Straße sind am Samstagmittag mehrere Menschen verletzt worden.
Bei einem Brand in der Berliner Straße sind am Samstagmittag mehrere Menschen verletzt worden. Christian Trebus

Wittenberg - Dramatische Szenen haben sich Samstagmittag in der Berliner Straße in Wittenberg abgespielt. Bei einem Wohnungsbrand sind vier Menschen zum Teil schwer verletzt worden.

Drei junge Leute haben nach Angaben von Anwohnern, die die Polizei bestätigt, keinen anderen Ausweg gesehen als aus dem Fenster zu springen. Die Wohnung, in der der Brand ausbrach, befand sich in der vierten Etage. Sie zogen sich dabei so schwere Verletzungen zu, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden mussten. Eine 17-Jährige ist mit dem Rettungshubschrauber in die Klinik nach Halle geflogen worden, eine 25-jährige Frau und ein 18-jähriger Mann kamen in Wittenberg ins Krankenhaus. Bei dem vierten Verletzten handelt es sich um einen 42 Jahre alten Mann aus der fünften Etage,  wobei er sich verletzt hat, ist noch unklar.

Schwere Brandstiftung oder versuchter Totschlag?

Wie konnte es überhaupt zu dem Feuer kommen? Nach den ersten Erkenntnissen der Ermittler vor Ort befanden sich am Samstagmittag vier Personen in der Wohnung: zwei junge Männer (18 und 19 Jahre alt), dazu zwei junge Frauen (17 und 25 Jahre alt). Aus bisher ungeklärten Gründen soll einer der beiden Männer im Flur der Einraumwohnung eine Matratze in Brand gesetzt haben. Anschließend ging alles ziemlich schnell: während einer der Männer mit den beiden Frauen im Wohnzimmer bleibt und wegen der brennenden Matratze quasi in der Falle sitzt, geht der andere durch das Treppenhaus stiften.

Beide Männer werden derzeit als Beschuldigte von der Polizei geführt. Sie zeigen sich kooperativ, bezichtigen sich aber gegenseitig. Die Polizei ermittelt wegen schwerer Brandstiftung. Einer der beiden erklärt den Beamten, dass Brandbeschleuniger im Spiel gewesen sei. Das passt zum Bild, dass die Spezialermittler der Kriminalpolizei vorfinden: der Brandherd befindet sich im Flur, dieser nährt Flammen unter der Decke in Flur und Wohnzimmer. Es entsteht enorme Hitze unter der Decke, die Ermittler, die den Tatort beschlagnahmt haben, finden Spuren einer massiven Verpuffung. Man spricht von einem regelrechten Flash-Effekt der Flammen. Decke und Wände senken sich ab, die Statik des Hauses ist in Gefahr. Die Hitze ist so enorm, dass mittlerweile die Wohnungstür verbrennt. Jetzt bekommen die Flammen Sauerstoff aus dem Treppenhaus. Die Apokalypse ist komplett: die drei Eingeschlossenen springen in nackter Verzweiflung aus dem vierten Stock in die Bäume und Sträucher auf der Hausseite der Berliner Straße. 

17-Jährige ringt ums Überleben

Die 17-Jährige ist so schwer verletzt, dass sie am Samstagabend in einer Hallenser Spezialklinik, in die sie ausgeflogen wird, ums Überleben ringt. Die Frage steht im Raum: bleibt es bei dem Vorwurf der schweren Brandstiftung, oder kommt versuchter Totschlag in Betracht? Ein weiteres Detail lässt selbst hartgesottene Ermittler erschaudern: die Brandermittler prüfen in den Brandspuren, warum die drei Personen in der Wohnung nicht den gleichen Fluchtweg wie der vierte nahmen. War das Trio „nur“ von Flammen eingeschlossen - oder war gar die Wohnungstür versperrt? Während sich in den ersten Minuten des Feuers zahlreiche Schaulustige vor allem auf der Seite der Berliner Straße tummeln und das Inferno beobachten, sind Zeugenhinweise vor allem von der Rückseite des Gebäudes für die Polizei interessant: also von der Seite, auf der der mutmaßliche Zündler aus dem Haus verschwand. 

Optimistisch sind die Ordnungshüter, dass in dieses Dunkel Licht gebracht wird. Während die jüngere der beiden Frauen nicht vernehmungsfähig ist, wird die 25-Jährige wohl trotz ihrer Brandverletzungen und des Sturzes bald aussagen können. Gegen beide junge Männer soll nach MZ-Informationen der Erlass eines Haftbefehls angeregt worden sein. 

Dass in der Wohnung auch sonst nicht alles mit rechten Dingen zugeht, ahnen die Nachbarn schon länger. Die Mitteldeutsche Zeitung erfährt vor Ort, dass einen Tag vor dem verheerenden Brand schon einmal die Polizei zu genau dieser Einraumwohnung im vierten Stock ausrückt. Zwei Tatverdächtige, nach denen die Beamten jetzt suchen, bedrohen den Wohnungsinhaber mit einer Langwaffe - also einem Gewehr - und fordern die Herausgabe eines Mobiltelefons von ihm. Sehr wahrscheinlich hat aber keiner dieser drei Personen direkt etwas mit dem Brand vom Samstag zu tun. 

Wohnung darüber wurde erreicht

Neun Wittenberger Feuerwehren sind zu dem Brand  gerufen worden, der weithin sichtbar war. Eine schwarze  Rauchfahne stand über dem Block, die Flammen schlugen hoch, so hoch, dass sie die Wohnung darüber in der fünften Etage erreichten und auch dort gravierende Schäden anrichteten.

Der Bewohner, Marcel Jürgen-Rähmer, hatte Glück im Unglück. Der 20-Jährige verbrachte die Nacht zum Samstag bei seiner Mutter. Gott sei Dank, sagt die mit Blick auf die verrußte Fassade: „Das hätte schlimm ausgehen können.“ Ihr Sohn  darf einige Stunden nach dem Brand noch einmal kurz in seine Wohnung. Dort hat das Feuer wenig verschont.  Das, was er retten kann, passt in eine Umhängetasche: „Wichtige Unterlagen sind schwarz oder nass, meine teure Technik ist nicht zu retten. Gut, dass etliche Klamotten gerade bei Mama zum Waschen sind.“  Er kommt, zumindest vorerst, bei seiner Mutter unter.

Die Unwissenheit war groß

Evakuiert worden sind aus Sicherheitsgründen sämtliche Bewohner von drei Aufgängen des Blocks, der der  Wittenberger Wohnungsbaugesellschaft gehört  (Wiwog). Während die Mieter der beiden benachbarten Aufgänge nach wenigen Stunden wieder in ihre Wohnungen dürfen, ist bei den direkt Betroffenen die Ungewissheit lange groß. „Ich weiß nicht, wie es weiter geht“, sagt die  89-jährige Gerda Grimm, die mit ihren Mitmietern am Hauseingang steht und wartet. „Nachbarn haben geklingelt und sagten: Es brennt. Ich habe nur eine Jacke übergezogen, Taschentücher eingesteckt und bin schnell nach unten gelaufen. Dass ich so etwas noch erleben muss, hätte ich nie gedacht.“

Am späten Nachmittag entscheidet Wiwog-Chef Rando Gießmann, gerade frisch aus dem Urlaub gekommen,  dass die Mieter der 14 Wohnungen vorerst nicht zurück können in ihre Unterkünfte. „Das ist zu gefährlich. Die Hauptstromleitung steht noch unter Wasser. Wir haben Gäste-Wohnungen vorbereitet und kümmern uns um den Transport.“  Einzelne Mieter können zudem im Luther-Hotel unterkommen.„Wir haben da eine Vereinbarung getroffen“, so Gießmann, der ankündigt, dass Montag entschieden werden soll, wie es weitergeht.  (mz)