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Festwochenende in Apollensdorf Festwochenende in Apollensdorf: Offiziell locker zum 725. Geburtstag

Von Karina Blüthgen 20.08.2018, 12:31
Darsteller von Interessengemeinschaften aus Roßlau und Zörbig stellen die Ereignisse von Ende April 1945 bei Apollensdorf nach.
Darsteller von Interessengemeinschaften aus Roßlau und Zörbig stellen die Ereignisse von Ende April 1945 bei Apollensdorf nach. Sascha Graf

Apollensdorf - Spätestens als Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) unter dem Beifall der Apollensdorfer erklärte, dass er entgegen des Protokolls das Wort erst an „die Oberbürgermeisterin von Apollensdorf“ Angela Menzel gebe, war die Lockerheit für ein zünftiges Ortsjubiläum da. Auch wenn der Brückenschlag über sieben Jahrhunderte selbst bei ihm offizieller als sonst ausfiel.

Ort der Kommunikation

„Es ist viel zu feiern, aber auch vielem zu gedenken“, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Es sei nicht selbstverständlich, im Frieden zu leben. Zugehör nannte Wittenberg (und damit Apollensdorf als Stadtteil) „noch immer einen Ort, geeignet, um miteinander zu kommunizieren. Wenn der Frieden im Mittelpunkt steht, muss alles zurücktreten.“

Dass das Treffen bei Apollensdorf so gut dokumentiert wurde, ist einem US-amerikanischen Kriegsberichterstatter zu verdanken, der die Truppen in Deutschland begleitete. Am 30. April 1945 13.20 Uhr waren Soldaten des 113. Cavalerie-Aufklärungsgeschwaders auf Teile der 1. ukrainischen Front getroffen. Die Sowjets hatten eine Dolmetscherin dabei, die ausgezeichnet Englisch sprach. Dadurch konnten Missverständnisse beseitigt werden. Die Soldaten tranken und tauschten Zigaretten, den Sowjetsoldaten wurde eine Karte mit der Lage der amerikanischen Verbände übergeben. Ein US-Jeep fuhr an diesem Tag auf eine sowjetische Mine, die beiden Soldaten starben dabei.

Das kommentierte Video über den Vormarsch der US-amerikanischen Truppen aus Richtung Zerbst über Coswig bis Apollensdorf und Pratau, inklusive der nun nachgestellten Szene des Treffens, ist in der Spiegel-TV-Dokumentation „Ein Tag Schreibt Geschichte - Deutschland am 30. April 1945“ zu sehen.

725 Jahre Apollensdorf, dazu gehören bäuerliches Leben, Handwerk, Handel, Vereine und die Begegnung von US- und Sowjet-Truppen Ende April 1945. Anders als damals wurde an diesem sonnigen Augusttag 2018, als Auftakt des Festes, die Ankunft der „Soldaten“ von mehreren hundert Leuten beklatscht. Zwei Interessengemeinschaften, die sich mit Technik- und Militärgeschichte beschäftigen, stellten die einstigen Verbündeten dar.

„Manchmal machen wir auch Auftritte wie diesen“, erzählte Rainer Augustin aus Roßlau, der noch letzte Handgriffe am russischen GAZ 67, gebaut in den letzten Kriegsjahren, machte. Es sei ein kleiner Beitrag, sich an Ereignisse wie dieses zu erinnern. Doch Krieg oder Kriegsspiele sind nicht sein Ding, ebenso wie für Lutz Bohne aus Zörbig. Der steht neben einem „Willys Jeep“ Baujahr 1944 und sieht ebenfalls die historische Bedeutung des Ereignisses im Vordergrund.

Es gab viele wohlformulierte Worte an diesem Tag. „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft liegen oft dicht beieinander“, so David Fabrycky, der die Grüße der US-amerikanischen Botschaft und des Generalkonsulats Leipzig überbrachte. Er freue sich, dass die Apollensdorfer ihr Fest zum Anlass nehmen, eines bedeutsamen Ereignisses zu gedenken.

Alexander Gribowskij, Vertreter der russischen Botschaft, bezeichnete die Art, wie hier vor Ort der Ereignisse am Ende des Zweiten Weltkriegs gedacht werde, „kreativ und spannend“. Die Zusammenarbeit der Verbündeten sei nicht zu unterschätzen gewesen, betonte er.

Kanonen am Festplatz

Nahtlos ging es nach der Enthüllung der Gedenktafel zum gemütlichen Fest über, die Ehrengäste wurden kurzerhand in den Festzug gebeten, was zu mehr Lockerheit beitrug. Auf dem Festplatz in der Ringstraße begrüßte Kanonendonner der historischen Artillerie 1813 aus Wartenburg und Listerfehrda-Elster die Mitwirkenden.

Ob die umfangreiche Ausstellung zur Ortsgeschichte oder die Aufführung des wiederentdeckten Apollensdorf-Liedes, das Publikum nahm begeistert alles auf. Erst einmal angekommen, mochte kaum einer so schnell wieder das Fest verlassen.

Hinter dem Haus schwangen János Busci und Peer Richter die Hämmer. Am Amboss konnten sich die Kinder versuchen, Erlebnispädagogik sozusagen. „Ich mag altes Handwerk“, so Busci, der als Erzieher im Mini-Club Apollensdorf arbeitet. „Wir wollen den Kindern hier das Gefühl der Wertschätzung für das Handwerk vermitteln, weil es eben Kraft und Zeit erfordert.“

Irgendwann am späten Nachmittag konnte auch Angela Menzel durchpusten. „Super, es hat alles geklappt“, meinte sie. Und fand es an der Zeit, sich für den Abend in bequemere Sachen zu kleiden. (mz)

Vertreter der russischen und amerikanischen Botschaft, des Landes sowie der Stadt Wittenberg enthüllen die Gedenktafel am Sportplatz.
Vertreter der russischen und amerikanischen Botschaft, des Landes sowie der Stadt Wittenberg enthüllen die Gedenktafel am Sportplatz.
Graf
Der historische Teil des Festumzuges mit dem Handwerk
Der historische Teil des Festumzuges mit dem Handwerk
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Artillerie von 1813 verweist auf andere geschichtliche Ereignisse.
Artillerie von 1813 verweist auf andere geschichtliche Ereignisse.
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