1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Entfernungen ermittelt mit Umdrehungen der Räder

Entfernungen ermittelt mit Umdrehungen der Räder

Von H.-DIETER KUNZE 10.02.2010, 18:43

SEYDA/MZ. - Die Anzahl der Besucher spricht dafür; rund 30 waren es diesmal, die sich auf eine Reise in die Vergangenheit und die Geschichte von Seyda und Umgebung freuten. Es ging um die Entwicklung des Postwesens in der Region im Zeitraum von 1500 bis 1850. Historische Karten, Erb- und Amtsbücher hatte Alexander Bauer gewälzt, in verschiedenen Museen nach Unterlagen gestöbert, um die Mosaiksteine zu einem möglichst umfangreichen und historisch fundierten Ganzen zusammen zu puzzeln.

In den Anfängen, so ab 1500 ging es wohl recht chaotisch zu, um Nachrichten auch bis ins entlegene Seyda zu befördern. Boten ritten durch die damals sehr dichten Wälder, ein Wegenetz gab es zwar, es änderte sich aber ständig. Seit 1501 bereits gehörte Seyda zu Kursachsen. 1712 ordnete Kurfürst August der Starke eine exakte Landesvermessung an. Adam Friedrich Zürner (1679 bis 1742) war dabei federführend. Er war Magister, Kartograf und wurde nach erfolgreichem Abschluss der Wegevermessung zum Land- und Grenzkommissar in kursächsischen Diensten befördert. Das Prinzip war einfach, mit Messwagen wurden die Wege abgefahren, eine Radumdrehung, die so genannte Rute, entsprach einer Distanz von 4,531 Meter, 1 000 Ruten waren eine halbe sächsische Meile, 2 000 eine ganze, was 9 062 Kilometer entsprach.

1721 wurde mit dem Aufstellen von Postsäulen begonnen. Es gab sie in vier verschiedenen Größen. Kernstück waren die großen Distanzsäulen in den Städten. In Wittenberg gab es drei davon: am Elb-, Elster- und Schlosstor. Darauf waren die Reisezeiten für Postkutschen in Stunden angegeben. Die Zielorte reichten unter anderem bis Warschau oder Prag. Die Pferde mussten ganz schön schnell traben, denn die durchschnittliche Geschwindigkeit wurde je halbe sächsische Meile mit einer Stunde veranschlagt. Unterwegs gab es Stationen, an denen die Rösser gewechselt wurden. Distanzsäulen stehen unter anderem noch in Kemberg, Gräfenhainichen, Übigau, Dahme, Wahrenbrück sowie in Belzig und Brück. Kleiner waren die Meilensäulen. Eine davon steht in Mühlanger, eine weitere in Hohenbucko, Landkreis Elbe-Elster. Weiterhin gab es Halb- und Viertelmeilensäulen entlang der Postwege. "Dieses System war quasi die Geburtsstunde eines für damalige Verhältnisse modernen Postwesens", konstatierte Dr. Bauer. Entsprechend der Reiseentfernung wurden bestimmte Tarife festgelegt, für Gepäckstücke galt es extra zu zahlen. Auch in Jessen, Seyda und Zahna sollten per Mandat von August dem Starken Postsäulen aufgestellt werden. Warum das nicht geschah, ist unklar.

1815, nach den Befreiungskriegen, wurden große Teile der hiesigen Region Preußen unterstellt. Die kursächsischen Postsäulen sollten abgetragen werden. Denn eine preußische Meile maß nur etwa siebeneinhalb Kilometer. Größtenteils wurde dieses preußische Dekret erfüllt. In Gräfenhainichen vermauerte man eine Säule im Schulneubau, fand Dr. Bauer heraus. 1826 gab Preußen einen Postmeilenanzeiger heraus. Ab 1843 wurde in Seyda eine Postanstalt geführt, allerdings ohne Pferdewechselstation. Grundlegende Änderungen gab es mit der Entwicklung der Eisenbahn, 1841 wurde in Zahna der Bahnhof eröffnet. Im Jahre 1927 wurde der Postkutschenverkehr zwischen Zahna und Seyda eingestellt.

Kenntnisse über die unmittelbare Postverwaltung in Seyda liegen derzeit noch "im Nebel". Für Alexander Bauer und andere Heimatfreunde ist das eine weitere Herausforderung. Erste Ergebnisse lägen bereits vor, hieß es. In einem der nächsten Seydaer Heimatblätter sollen sie veröffentlicht werden.