Ein Schloss inklusive Spukgespenst
Reinharz/MZ. - Festliche Säle
Das Schloss hat schließlich auch alles, was ein altes Gemäuer braucht. Prunkvolle Festsäle, eine bewegte Vergangenheit und natürlich ein Schlossgespenst. "Ich komme mit ihm gut aus", scherzt Frau Hönicke. Während sie tagsüber Besucher durch das Erdgeschoss des Schlosses führt, übernimmt der Geist einer eingemauerten Fürstentochter die Nachschicht, erzählt sie. Allein bei den ersten beiden Führungen am Sonnabend hörten 50 Gäste zu, insgesamt sind es am Pfingstwochenende 172. Bei der dritten Führung am Sonnabend aber hat Familie Väterlein aus Leipzig Frau Hönicke ganz für sich.
"Wir machen öfter Ausflüge, um uns etwas anzuschauen", sagt Elisabeth Väterlein. Auf der Schönen Aussicht hatten sie vom Wasserschloss erfahren und spontan einen Abstecher in das abgelegene Dörflein gewagt. Jetzt stehen sie in einem der beiden Säle, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Die oberen Stockwerke bleiben versperrt. Dabei gebe es da noch viel zu sehen. Alte Wandmalereien zum Beispiel. Man könnte aber auch nachzählen, ob die Erbauer denn richtig gerechnet haben. Bauherr Heinrich Löser - dem auch das Pretzscher Schloss gehörte - wollte es kalendarisch: 365 Fenster für jeden Tag im Jahr, 52 Türen für jede Woche und zwölf Säle für jeden Monat. "Dort müssen aber erst noch die Schäden behoben werden", erklärt Frau Hönicke.
Internat und Kurklinik
Denn nicht nur der Zahn der Zeit hat am Schloss genagt, die Zeitläufte haben ihm ein abwechslungsreiches Baugeschehen beschert. Das 1701 fertig gestellte Gebäude war hochherrschaftliches Wohnhaus einer der reichsten Adelsfamilien Sachsens, aber auch Sitz des Reichsnährstandes - der 1933 aus dem Zusammenschluss aller freiwilligen Verbände der Landwirtschaft und der Landwirtschaftskammern entstanden war. Das Schloss war Webschule für Jungbäuerinnen, Heim für Waisen, Hilfshospital, Internat für Kinder gut situierter Eltern, Kurheim für Lungen- und Geschwulstkranke.
Alles war verbunden mit baulichen Änderungen. Hinter den Kulissen der beiden öffentlichen Festsäle wird das schnell klar. Vorn die 3600 Delfter Kacheln - jede mit einem anderen Motiv - die Kunstfreunde mit der Zunge schnalzen lassen, dahinter im Gang zur Küche aus DDR-Zeiten Glasfliesen im 70er-Jahre-Stil. "Solche hatten wir auch einmal", erinnert sich Frau Väterlein - und ist dann doch ein wenig belustigt. "Wir wollen die Geschichte des Hauses auch einmal aufzeigen", sagt Frau Hönicke. Und so warten im Hinterzimmer - gleich neben der provisorischen Fußheizung für einen der prachtvollen Säle - alte Schwesternkittel, Heilapparate und Schautafeln auf den Tag, an dem sie öffentlich zu sehen sind. Wann das ist? Das weiß derzeit keiner. Förderverein und die drei privaten Eigentümer - zwei Architekten und ein Journalist - arbeiten Schritt für Schritt an der Sanierung. "Die nächsten Bauarbeiten stehen kurz bevor", weiß die hauptamtliche Schlossführerin. Eine Erdwärmeheizung soll es geben und der Vorplatz wieder seinen barocken Charakter erhalten.
Doch vorerst ist das "Eheschließungszimmer" im Schloss der Höhepunkt der Führung. Auf 300 Jahre altem Parkett bewundern die Väterleins die Kacheln, die es in der Region nur noch in Oranienbaum, Caput und Dresden gibt. Zwei Brautpaare sind in der Außenstelle des Bad Schmiedeberger Standesamtes in diesem Jahr getraut worden. Auf dass es ihnen nicht so gehe wie dem Schlossgespenst: Die Fürstentochter war wegen ihrer Liebe zu einem Jäger im Keller eingemauert worden.
Führungen finden statt: Mittwoch bis Freitag 13, 14 und 15 Uhr; Samstag und Sonntag zusätzlich um 16 Uhr. Kontakt unter Tel.: 034925 / 71786.