Ein Heim mit alten Schulden
Gräfenhainichen/MZ. - Vor der ehemals längsten, überdachten Stehtribüne der DDR wachsen die Gänseblümchen auf dem Fußballfeld, das schmutzig-gelbe Vereinsgebäude trägt stolz noch den Namen "Sportforum Aktivist".
Allein der beständig wirbelnde Rasensprenger lässt an diesem Sommertag vermuten, dass hier der Fußball-Landesligist VfL Gräfenhainichen trainiert. "Mit dem Gelände hier steht und fällt der Verein", sagt VfL-Vorsitzender Falko Szuppa. Derzeit fällt er eher, denn zumindest am Gebäude hat sich seit 40 Jahren nur wenig getan. Jetzt soll es grundsaniert werden, um den VfL aus seinem finanziellen Engpass zu befreien.
"Dieses Gebäude gehört zu unserer Geschichte", erklärt Szuppa. Seit November ist der junge Fußballer Erster Vorsitzender des VfL und das Vereinsgebäude seine große Mission. "Nach der Wende", so erinnert er sich, "hat der Verein das Gebäude für eine D-Mark gekauft".
Auf den ersten Blick ein Schnäppchen, aber "heute würden wir das sicher nicht mehr machen". Denn für erste Reparaturen an Heizung, Fenstern und Türen hat sich der VfL verschuldet, das Gebäude mit einem Kredit belastet. "Dessen Tilgung aber geht nur mit einem gutgehenden Gaststättenbetrieb", ist der vierköpfige Vorstand überzeugt. Für den zur Zeit noch düsteren Kneipenraum sucht er zum Sommer einen neuen Betreiber. Dann soll das Gebäude mitten in den ersten Renovierungsarbeiten stecken und sich irgendwann selbst aus seinen Schulden herausarbeiten. Doch so einfach scheint das in Gräfenhainichen nicht zu sein. "Jeder Verein hier lebt von der Hand in den Mund", behauptet Szuppa. Ständig sei er auf der Suche nach Sponsoren, aber die dichte Vereinslandschaft in der Gegend mache es ihm schwer. Zu groß ist die Konkurrenz von Kegelbrüdern, Kleingärtnern und nicht zuletzt der Baggerstadt Ferropolis. "Uns fehlen hier einfach die großen produzierenden Gewerbe, die Industrie als Geldgeber", betont der VfL-Vorsitzende. Neidvoll schaut er in den Kreis Bitterfeld, wo sich Vereine, von der Industrie gesponsert, sogar Flutlichtanlagen auf ihren Rasenplätzen leisten könnten.
Trotz aller finanziellen Nöte soll das ehemalige "Sportforum Aktivist" der "sportliche Mittelpunkt der Stadt Gräfenhainichen" bleiben. Eine Alternative sieht Falko Szuppa nicht, denn "auf Zelte und Wasserwagen wollen wir nicht zurückgreifen". Bis sich die Sportler des VfL aber im neuen Vereinsheim einleben können, wird noch viel Eigeninitiative nötig sein. "Wir müssen selbst Hand anlegen und uns bewusst machen, dass dies unsere Heimstätte ist", fordert der tatkräftige Vorsitzende.
Er selbst opfert derzeit achtzig Prozent seiner Freizeit für den Verein: Ein Engagement, mit dem er Vorbild sein muss, denn "viele Vereinsmitglieder leben noch im Gestern und warten, dass man ihnen die Arbeit abnimmt." Ein wenig Nostalgie und Leben im Gestern aber wird beim VfL Gräfenhainichen auch in Zukunft erlaubt sein. Der Charakter des Vereinsgebäudes nämlich soll erhalten bleiben.
Und so wird auch das metallene Bild an der Außenwand weiter von vergangenen Zeiten zeugen - auch wenn hier seit 40 Jahren neben dem Schriftzug "Sportforum Aktivist" an der Wand des Gebäudes wohl eher Volleyballer als Fußballer den Besucher grüßen.