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Die mit Händen spricht Die mit Händen spricht: Heike Leps übersetzt für Gehörlose

Von Corinna Nitz 30.07.2017, 17:00
Die Gebärdensprachendolmetscherin Heike Leps (rechts), hier mit Corinna Wöbke, übersetzt demnächst bei Führungen durch die Luther-Sonderschau in Wittenberg.
Die Gebärdensprachendolmetscherin Heike Leps (rechts), hier mit Corinna Wöbke, übersetzt demnächst bei Führungen durch die Luther-Sonderschau in Wittenberg. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Wenn Heike Leps beschreiben soll, wann und zu welchen Anlässen sie gerufen wird, sagt sie: „Von der Wiege bis zur Bahre.“ Leps, 46 Jahre, dunkelblonde Kurzhaarfrisur, im Übrigen von einnehmender Herzlichkeit, ist Gebärdensprachendolmetscherin. Jetzt wird sie bei Führungen für Gehörlose durch die Nationale Sonderausstellung „Luther! 95 Schätze - 95 Menschen“ im Augusteum Wittenberg übersetzen.

Die Zusammenarbeit mit der Stiftung Luthergedenkstätten reiche zurück ins Jahr 2015, als zur Landesausstellung „Cranach der Jüngere“ dieses besondere Angebot eingeführt worden sei. Die erste Spezialführung für Gehörlose und Hörgeschädigte durch die Luther-Sonderschau ist am 6. August.

Sowohl dieses Angebot als auch das Engagement von Leps, die in Halle die Landesdolmetscherzentrale für Hörgeschädigte Sachsen-Anhalt gegründet hat, kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Wer je mit einem hörbehinderten Menschen zu tun hatte (und sei es „nur“ mit einer ausgeprägten Altersschwerhörigkeit), der weiß, wie schnell diese Betroffenen in die soziale Isolation geraten, weil sie akustisch eben nicht mehr am Leben teilhaben.

Mittlerweile gibt es in manchen Einrichtungen Hörschleifen und im Fernsehen sind einzelne Sender u. a. dazu übergangen, ihre Nachrichten auch von Gebärdendolmetschern vortragen zu lassen. Ansonsten, das bestätigt Leps, gebe es in dieser Hinsicht in Deutschland noch Nachholbedarf. Ein Problem freilich lässt sich schwer beheben: dass man tauben Menschen oder solchen mit eingeschränktem Gehör ihr Handicap nicht ansieht.

Ein Beispiel ist Corinna Wöbke, niemand würde bei einer flüchtigen Begegnung vermuten, dass sie nicht hört, was man sagt, obwohl sie auch von den Lippen lesen kann. Die Pretzscherin kam gesund zur Welt und verlor ihr Gehör mit anderthalb Jahren. Sie kam auf eine Spezialschule, später arbeitete sie als Laborantin.

Zusätzlich zur Gebärdensprache gibt es übrigens das Fingeralphabet, das nicht nur zum Einsatz kommt, wenn einer die Gebärdensprache nicht beherrscht (und wer kann das schon), sondern u. a. auch im Fall von Fremdwörtern. Leps, die als Studentin die Gebärdensprache kennenlernte und „das Plaudern mit den Händen“ schnell viel „spannender“ fand, ist inzwischen eine gefragte Expertin auf ihrem Gebiet und bei Behörden und Gerichten als Gebärdensprachendolmetscherin zugelassen.

Etwa 80.000 Gehörlose leben in Deutschland. Darüber informiert der Deutsche Gehörlosen-Bund im Netz. Nach Angaben des Deutschen Schwerhörigenbundes gibt es zirka 16 Millionen Schwerhörige. Rund 140.000 sind auf Gebärdensprachdolmetscher angewiesen. In Wittenberg übersetzt jetzt Heike Leps bei Führungen durch die Nationale Sonderausstellung „Luther! 95 Schätze - 95 Menschen“ der Stiftung Luthergedenkstätten. Die Führungen finden am 6. August, 3. September und 9. Oktober statt. Beginn ist 17 Uhr. Anmeldungen sind bei Heike Leps möglich (Mail: [email protected]) und im Servicebüro, Tel. 03491/4 20 31 71 ([email protected]).

Erst am Donnerstag, als sie sich auch mit Wöbke traf, hatte sie in Wittenberg am Betreuungsgericht zu tun. In Halle bietet Leps zudem Stadtführungen für Gehörlose an. Sie weiß viel zu erzählen über die Gebärdensprache oder den langen Weg bis zu deren Anerkennung als eigenständige Muttersprache. Die politische Anerkennung erfolgte in Deutschland 1998 in Hessen, die rechtliche erst 2002.

Seit der gesetzlichen Anerkennung dürfen Dolmetscher wie Leps auch Auszubildende oder Schüler begleiten. Sie selbst begleite momentan eine Sechstklässlerin, die eine Schule für Hörende besucht. Die Arbeit teile sie sich mit einer Kollegin.

Zur Spezialführung in der Luther-Sonderschau am 6. August kommt Leps allein. Apropos: Leps erinnert daran, dass Luther dem Volk gern aufs Maul geschaut hat. Bei Gebärdensprachendolmetschern bekommt dieser Satz noch mal eine ganz andere Bedeutung.

(mz)