Demos in Gräfenhainichen Demos in Gräfenhainichen: Angst vor Krawallen

Gräfenhainichen - Eine Stadt steht unter Schock: Unbekannte haben einen Anschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft im Gräfenhainichener Gewerbegebiet West verübt. Viele Einwohner haben jetzt aber auch Angst vor dem Samstag. Sie befürchten Krawalle. Entsprechende Anrufe haben die MZ und Stadtoberhaupt Enrico Schilling (CDU) erhalten. „Ich rate zur Besonnenheit und zum Besuch eines Weihnachtsmarktes oder des Bürgerfestes“, sagt der Rathauschef.
Feige Tat vor der eigenen Haustür
Neben der feigen Tat vor der eigenen Haustür sind die TV-Bilder aus Leipzig noch in guter Erinnerung. Am Rande einer Neonazidemo kommt es zum Gewaltexzess. Dabei werden 69 Polizisten verletzt. Die Ermittlungen richten sich gegen die linksautonome Szene. Die Konstellation links gegen rechts wird es am Samstagnachmittag in der Heidestadt geben.
Die Bürgerinitiative „offen, bunt, anders “ organisiert nach Wittenberger Vorbild auf dem Kirchplatz ab 14 Uhr das von Schilling erwähnte Fest. Die Rechten planen unter dem Deckmantel der „besorgten Bürger“ auf dem Markt eine Demo - angemeldet von zwei Nazis - gegen die Flüchtlingspolitik. Beide Orte sind nur ein paar Fußschritte voneinander entfernt. „Wir können die Sicherheit der Teilnehmer an beiden Veranstaltungen gewährleisten“, betont Wittenbergs Polizeichef Marcus Benedix. Sein Sicherheitskonzept, das sich schon beim NPD-Aufmarsch in der Lutherstadt bewährt hat, setzt „auf räumliche Trennung“. Auch der geplante „Spaziergang“ der Rechten, der direkt am Bürgerfest vorbeiführt, stelle kein Problem dar. Die möglichen Auswirkungen der Ereignisse in der Donnerstagnacht sind aber auch bei den Beamten ein Thema. „Natürlich wird das in der Lagebeurteilung mit betrachtet“, so Polizeisprecher Maik Strömer. Ob deswegen mehr Beamte zur Absicherung in geschickt werden, beantwortet er nicht. „Vor einem Einsatz spricht die Polizei im Allgemeinen nicht über die eingeplante Stärke der Kräfte“, begründet er.
„Krawall“, so Fest-Organisator Ulf Künemund, „ist nicht unser Ziel.“ Sein Team stehe für ein „vielfältiges und weltoffenes Gräfenhainichen“. Keinesfalls handele es sich um einen „Rechts-Links-Grabenkampf“, sagt er. „Wir treffen uns, um bei Musik und Infoständen miteinander zu sprechen“, so Künemund, der darauf hofft, die Fragen der Einwohner beantworten zu können und helfen will, Ängste gegen Fremdes abzubauen. Dafür rührt der Chef einer Firma die Werbetrommel. „Viel Arbeit“, so der Mann, der 2 000 Flyer verteilt und 100 Plakate geklebt hat.
Der Veranstalter lobt in der Vorbereitung das Engagement von Christel Lück (Linke). Ansonsten habe es vorm Anschlag „kein klares politisches Statement“ gegeben. Da kann selbst Lück kaum widersprechen. Allerdings gebe es im Stadtrat schon Politiker, die sich für eine Willkommenkultur engagieren. Die Ortsbürgermeisterin nennt als Beispiele Rene Schmidt (Grüne) und Lothar Schröder (SPD). Aber auch sie sei vom Anschlag geschockt. „Das ist nicht mehr mein Gräfenhainichen“, sagt die Ur-Heidestädterin und hofft, dass sie ihre Meinung ändert, „wenn viele, viele zum Bürgerfest kommen“. Politische Statements, die den Anschlag auf das schärfste verurteilen, gibt es am Freitag von der Bürgerinitiative, den Linken, den Grünen, der CDU und der FDP.
Es gelte, so Künemund, „Flagge zu zeigen, gegen Rechts, gegen Hass, gegen Terror“ - dazu zählt der Organisator auch den Anschlag auf das Asylheim - „und gegen Ausgrenzung“ anzutreten. Dabei ist die Veranstaltung familientauglich. Hüpfburg und Bastelstraße für die Jüngsten stehen bereit. Ein Höhepunkt ist der Auftritt der Bitterfelder Hartpop-Band „Plattensprung“. „Wir machen Entertainment, beziehen unser Publikum ein“, verspricht Gitarrist Sebastian Mainka. Der 27-Jährige hat auch keine Angst vor der Konkurrenz auf dem Markt. „Wir machen die bessere Musik“, sagt der Künstler.
Songs von der NPD-Liedermacherin
Vor dem Rathaus kommt alles vom Band. Und einer der selbst ernannten Nazis, der die Demo mit angemeldet hat, outet sich auf einem „Titelfoto“ seiner Facebook-Seite als Fan von „Die braunen Stadtmusikanten seit ....“. Die Punkte ersetzen einen vierstelligen Zahlencode, der entschlüsselt eine verfassungsfeindliche Botschaft präsentiert. Songs der Band - die Polizei prüft die Titelliste - werden am Samstag nicht ertönen. Dafür setzten die Nazis auf eine „nationale Liedermacherin“ der rechtsextremen Musikszene. Die 47-Jährige ist bei Landtagswahlen in Niedersachsen als Direktkandidatin der NPD angetreten. Musikalisch erinnert sie teilweise an Ina Deter, ihre Texte sind jedoch rechtsextrem, vor allem sozialchauvinistisch. Die rechtsextreme „Brigade Bitterfeld“ soll ihre Unterstützung für die „besorgten Bürger“ zugesagt haben. (mz)
