Kindertagesstätten Das Schlechte-Kita-Gesetz: Freie Träger diskutieren mit Wittenberger Stadtrat - Wie es nun womöglich weitergeht
Freie Träger treten in Austausch mit Wittenberger Stadtrat. Worüber gesprochen wurde und wie es womöglich weitergeht.

Pratau/MZ - „Lasst uns reden!“, lautete der Untertitel des „Austauschforums ,Wie geht es weiter mit der Kitalandschaft Wittenberg?’“ - und geredet wurde eine ganze Menge am stürmischen Donnerstag im Pratauer Seniorenclub, wohin die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände geladen hatte, um die Wittenberger Stadträte auf ihre Seite zu ziehen. Gelungen ist das nicht, allerdings hat die Debatte um die beschlossene Verdrängung freier Träger aus dem Kita-Geschäft durch die Veranstaltung neue Facetten gewonnen.
Komplex am Katzentisch
Durchsetzt von gelegentlichen Böen wechselseitiger Entrüstung zwischen Liga-Referent Martin Hoffmann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Magdeburg und Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos), boten die knapp zweieinhalb Stunden dem geladenen kommunalpolitischen Publikum Einblicke in das komplexe Zusammenspiel zwischen Kreis, freien Trägern und eben der Kommune seit Einführung des Kindertagesstättengesetzes Kifög 2013 bzw. dessen Novellierung 2018. Die Stadt befindet sich seither „am Katzentisch“, wie es Zugehör einmal mehr formulierte, sie müsse also für etwas zahlen, auf das sie kaum Einfluss habe. So sei eben das Gesetz, konterte Hoffmann kühl, räumte allerdings ein, dass sich Sachsen-Anhalts Kommunen durch das Kifög tatsächlich im „Nachteil“ befänden.
Weitschweifig ging es um die LEQ (Leistung/Entgelt/Qualität)-Vereinbarungen, die der Landkreis als Betriebserlaubnisgeber für die Kitas mit den freien Trägern aushandelt und die letztlich die umstrittene Basis dessen bilden, was Stadt - und Eltern - zu zahlen haben. Während die Stadt dadurch große Überschüsse bei einzelnen freien Trägern ausgemacht hat, erklärten deren Vertreter, „keine goldenen Wasserhähne“ (Hoffmann) zu haben beziehungsweise - eigenen Angaben zufolge geringe - Überschüsse als Rücklagen zu benötigen.
In Stein gemeißelt
Dass viele freie Träger es nicht eilig haben, neue LEQ abzuschließen, ist ein altes Klagelied in der Stadtpolitik und ebenfalls eines der Felder, auf das die Kommune kaum Einfluss hat. Damit gelten jahrealte Vereinbarungen weiter, die aufgrund des besonderen Abrechnungsverfahrens zu einer Belastung der Kommune führen. Freie Träger wiederum ärgern sich über den starren, „in Stein gemeißelten“ Leistungskatalog im Landkreis Wittenberg, der die tatsächliche Kostenentwicklung außer acht lasse, wie Sven Schiller sagte und dies auch für die Säumigkeit mancher freien Träger beim Abschließen neuer LEQ-Vereinbarungen verantwortlich macht. Schiller, einer der Geschäftsführer des Kindertagesstättenwerks Wittenberg, kämpft gegenwärtig um den Erhalt der beiden Kitas „Wortschatzpiraten“ und „Schnatterinchen“, die die Stadt in eigene Trägerschaft übernehmen will, und damit um die Existenz seines gesamten Vereins.
Zurückhaltend zeigten sich die Stadträte angesichts der erklärten Nöte der freien Träger. Die Städte, sagte Stefan Kretschmar (Freie Wähler) zu „Theorie und Praxis“ der LEQ, seien „viel näher dran“ an den Kitas als der Kreis, und verlangte mehr Mitspracherecht für die Kommunen. Zugleich pochte er auf den Abschluss dieser Vereinbarungen und auf „regelmäßige Qualitätskontrollen“.
Fraktionen stark vertreten
Auch andere Stadträte wurden grundsätzlich: Warum würden die LEQ zwischen Landkreis und Trägern abgeschlossen, „und die Gemeinde muss zahlen?“, fragte Johannes Ehrig (SPD). Er sei „noch nicht hinters Geheimnis LEQ gekommen“, räumte Horst Dübner (Linke) freimütig ein. Letztlich gehe es doch darum: „Was kostet der Platz pro Kind?“ Reinhard Rauschning (SPD) verlangte, bei weiteren Debatten den Landkreis einzubeziehen. Dass den Stadträten das Thema Rekommunalisierung von Kitas - oder eben nicht - sehr wichtig ist, zeigte ihre Präsenz: Alle Fraktionen waren mindestens mit ihren Vorsitzenden vertreten, viele auch zu dritt.
Auf Zustimmung bei den Stadträten und nur verhaltenes Interesse bei den freien Trägern stieß ein Vorschlag von Oberbürgermeister Zugehör: Überschüsse sollten in einen gemeinsamen Fonds fließen und so wiederum allen Kita-Betrieben zugute kommen - beispielsweise zur Stabilisierung der Elternbeiträge. Zugleich ließ Zugehör Sympathien für das „Ilsenburger Modell“ erkennen, nach dem die Kommune in Abstimmung mit dem Kreis LEQ-Verhandlungen selbst führt. Das Modell sei „rechtswidrig“, erklärte dazu Liga-Vertreter Hoffmann, nahm dieses Attribut später aber wieder zurück.
„Ich würde es mir verdammt wünschen, dass wir noch mal in die Diskussion kommen“, sagte Kitawerk-Geschäftsführerin Sabine Lühnsdorf. Auch ihre Kolleginnen von Arbeiterwohlfahrt und Behindertenverband erklärten sich gesprächsbereit. „Alle Partner an einen Tisch!“, forderte etwa Ute Eckelmann (Behindertenverband). Und beim nächsten Mal den Landkreis mit einladen.
Um „Wortschatzpiraten“ und „Schnatterinchen“ ging es kaum. Ein Gespräch zwischen Kitawerk und Oberbürgermeister vom Vortag bezeichneten beide Seiten aber als positiv. Man wolle weiter miteinander reden, hieß es. Vielleicht wird ja doch noch alles gut.