Cranach-Schau in Kemberg Cranach-Schau in Kemberg: Fröhlicher Umgang mit dem Erbe

Kemberg - Ein Gong ertönt, der Klang vibriert im ganzen Körper, der Bauch hört mit. Es war ein starker Auftakt, mit dem Volker Lauckner ein Fest eröffnete, das die Mitte feiert. Diese „Midissage“ machte den Kemberger Kirchturm aber nicht allein zum Klangkörper, in dem ein Sonnen- und ein Mondgong, Glocken, eine Schlitztrommel und ein Didgeridoo akustische Pracht entfalten. Einmal mehr präsentierte sich die Galerie im Turm als Kreativraum, der diesmal Cranachschen Traditionen auf höchst unterschiedliche Art nachspürte.
An Cranach komme in diesem Jahr wohl niemand vorbei, begrüßte Kunsthistorikerin Marlies Schmidt die „Freunde der geflügelten Schlange“. Eines dieser Reptilien empfing Ausstellungsbesucher schon vor der Eingangstür: farbenfroh, fröhlich, dreiköpfig. Denn schließlich stammt die Skulptur aus Pappmaschee aus den Händen dreier junger Künstler.
Ganz eigene Handschrift
„Kinder treffen Cranach“ heißt die Ausstellung der Malschule Wittenberg. Und was da schon seit dem 29. August an jungen künstlerischen Kommentaren präsentiert wird, zeugt von einem freien und fröhlichen Umgang mit dem 500 Jahre alten Erbe.
Zeichnungen mit filigranem Strich, glitzernde Schmuckstücke, dreidimensionale Wappentiere und farbenprächtige Porträts orientieren sich an den Originalen und tragen doch ihre ganz eigene Handschrift. Manchmal würden die Cranachschen Bildergeschichten einfach in Eigenregie weitererzählt, so Marlies Schmidt. So kann man in Kemberg einen reitenden Martin Luther sehen. Historisch verbürgt ist das nicht, aber mit solcherlei Nebensächlichkeiten halten sich die jungen Künstler nicht auf.
Statt Werktreue steht Kreativität im Fokus und eine unbändige Lust, die eigene Vorstellungswelt mit den Vorbildern der Altvorderen zu kombinieren, etwas zu schaffen, das an die Geschichte anknüpft und sie doch neu erzählt. Es sind leichtfüßige künstlerische Kommentare, gegenwärtig und vital. Sie zeigen, dass die Kinder – ähnlich wie ihr Vorbild, so Marlies Schmidt, „keine Angst vor rot, grün, blau“ haben.
An die Historie anknüpfen will auch ein weiteres Werk in der Turmgalerie. Gezeigt wird die Rekonstruktion eines Teils jenes Cranach-Altares aus der Kemberger Kirche, der 1994 einem Schwelbrand zum Opfer fiel. Der unwiederbringliche Verlust schmerzt bis heute, die in der Sakristei ausgestellten Überreste erinnern daran. Die Neugestaltung des Kirchenraumes mit einem Altarkreuz von Arnulf Rainer und Fenstern von Günther Grohs dokumentiert den Versuch, Schmerz durch das Beschreiten neuer Wege zu lindern.
Ganz gelungen ist das offenbar nicht, hat sich doch seit 2010 eine Gruppe von Kemberger Handwerksmeistern daran gemacht, den alten Pfaden zu folgen und den Flügelaltar durch Rekonstruktion und mit Hilfe von Spendengeldern wieder auferstehen zu lassen. Das denkmalpflegerisch umstrittene Projekt ist ihre ganz eigene Therapie bei der Behandlung der Brandwunden.
Großer Kontrast
Mit der Umsetzung haben sie die Eislebener Künstlerin Mariana Lepadus beauftragt, die in ihrem Geburtsland Rumänien Kirchen- und Ikonenmalerei studiert hat. Die in der Schau präsentierte Predella zeigt eine Abendmahlsszene - farbenfroh, wie die Kunstwerke der Kinder, doch zwangsläufig weniger frei in der Umsetzung, mit anderer Art der Auseinandersetzung und mit einer anderen Botschaft.
Der Kontrast zwischen den verschiedenen künstlerischen Auseinandersetzungen könnte kaum größer sein. Das Nebeneinander ist dabei durchaus anregend. Es fordert jeden einzelnen Besucher auf, sich seine eigenen Gedanken zu machen - über Geschichte und Gegenwart, Gewinn und Verlust, Trauer und Freude – nicht zuletzt über den Umgang mit Tradition.

