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Kunst Christian Pilz bringt Welt der Linien nach Wittenberg

Christian Pilz ist diesjähriger Stipendiat der Cranach-Stiftung Wittenberg. Die bittet zum Werkstattgespräch.

Von Corinna Nitz 22.09.2021, 09:10
Ich sehe was, was du nicht siehst: Bei der Betrachtung von Christian Pilz? detailreichen Bleistiftzeichnungen, zu sehen in Wittenberg, kann eine Lupe hilfreich sein.
Ich sehe was, was du nicht siehst: Bei der Betrachtung von Christian Pilz? detailreichen Bleistiftzeichnungen, zu sehen in Wittenberg, kann eine Lupe hilfreich sein. (Foto: Corinna Nitz)

Wittenberg - Es ist eine Fangfrage: Wie viele Linien auf dem Bild zu sehen sind, will Christian Pilz vom Besucher wissen. Die Antwort kommt zögerlich: 900.000? Jetzt lächelt Pilz: Eine sei es. E-i-n-e. Tatsächlich entsteht bei den äußerst komplexen Strukturen der Eindruck, dass es sich um unzählige Linien handelt. Dass er selbstverständlich absetzt, sagt Pilz, sonst könnte er ja niemals schlafen oder etwas anderes machen als fortwährend zu zeichnen.

Aber er setze dort an, wo er aufgehört hat. So entstehen labyrinthische Gebilde, die mal wie ein Stadtplan anmuten, mal wie eine Platine oder eine Orgel oder ein Gleisnetz oder, oder, oder. Die figurativen Assoziationen, wie Pilz sie nennt, sind eben äußerst vielfältig.

Akribisch, diffizil

Wer es selbst ausprobieren möchte, dem sei ein Werkstattgespräch diese Woche auf dem Cranachhof in der Wittenberger Schlossstraße empfohlen. Dort arbeitet Pilz, er ist der diesjährige Stipendiat der Cranach-Stiftung. Der Künstler, welcher 1978 im englischen Ascot geboren wurde, weil sein Vater dort gearbeitet hat, der nach der Rückkehr der Familie in Köln aufwuchs und später in Berlin, seiner Wahlheimat, bildende Kunst an der Universität der Künste studierte, gehörte zu mehr als 100 Bewerbern für das Cranach-Stipendium.

Was die Juroren 2020 offenbar überzeugte und für Pilz einnahm, beschreibt die Kunsthistorikerin der Stiftung, Marlies Schmidt, gegenüber der MZ jetzt so: „Es sind sensible Zeichnungen, akribisch und mit diffizilen grafischen Strukturen.“

Die Rede ist auch vom Konkreten und Abstrakten in einem. Ziemlich konkret ist eine Arbeit, die Pilz übrigens im Jubiläumsjahr für Cranach den Jüngeren 2015 für den Wettbewerb „Cranach 2.0“ in Wittenberg gezeichnet hat: Sie zeigt einen Ausschnitt aus dem Cranach-Holzschnitt „Die Belagerung von Wolfenbüttel“. 2015 war die Zeichnung in der Exerzierhalle zu sehen.

Jetzt hängt sie gerahmt in der Werkstatt, umgeben von vielen Blättern mit fertigen Zeichnungen und solchen, die noch auf ihre Vollendung warten. Bildpaare hat Pilz nebeneinandergelegt, mal besteht die Linie aus Kreisen, ein andermal sind es Dreiecke, oft ist es eine schlichte Linie und dann fällt das Zitat von Paul Klee: „Die Linie ist ein Punkt, der spazieren geht.“

Für ihn, Pilz, sei die Linie auch eine Beschränkung auf das Grundelement, eine Beschränkung aber, „die einen großen Freiraum eröffnet“, da könne sich eine ganze Welt entwickeln. Apropos: Der Kurator Eugen Blume schrieb einmal über Pilz, er suche „zeichnerisch die labyrinthischen Konstruktionen eines Weltenbaus“.

Wie eine Zeichnung entsteht

Diesen Donnerstag nun, am 23. September, können Interessierte Christian Pilz persönlich kennenlernen, dann gibt es ein von der Cranach-Stiftung anberaumtes Werkstattgespräch mit ihm. Er sagt, er wolle einerseits versuchen, den Entstehungsprozess seiner Zeichnungen nachvollziehbar zu machen und andererseits natürlich fertige Arbeiten zeigen. Beginn dieses Werkstattgesprächs auf dem Cranachhof in der Schlossstraße 1 ist um 17.30 Uhr. Nach Auskunft von Schmidt gilt coronabedingt die 3-G-Regel (geimpft, genesen, getestet). (mz)

Christian Pilz ist  der diesjährige Stipendiat der Cranach-Stiftung.
Christian Pilz ist der diesjährige Stipendiat der Cranach-Stiftung.
(Foto: Corinna Nitz)