Kandidaten im Gespräch Bundestagswahl 2017 - Kandidaten im Gespräch: Sepp Müller (CDU): Abducken geht nicht

Wittenberg - Sepp Müller ist groß, an die zwei Meter. Nicht zuletzt das verbindet ihn mit Ulrich Petzold, der eine gefühlte Ewigkeit die Region im Bundestag vertreten hat - und aus Altersgründen nicht mehr antritt. Angesichts einer ziemlich stabilen Mehrheit in Umfragen für die CDU stehen die Chancen nicht ganz schlecht, dass der 28-jährige Christdemokrat im ersten Anlauf in den Bundestag kommt. Derzeit ist er schwer mit Wahlkampf beschäftigt, eilt von Termin zu Termin. MZ-Redakteur Marcel Duclaud erwischte ihn in Coswig.
Sie sind sehr jung, Sitzungen manchmal sehr langweilig. Warum tun Sie sich das an?
Müller: Demokratie lebt vom Mittun aller. Man darf sich nicht über Politikverdrossenheit beschweren, wenn man selber nichts beiträgt. Deshalb ist auch wichtig, dass alle Generationen im Parlament vertreten sind. Ein junges Gesicht mit frischen Ideen tut unserer Heimat im Rat gut. Wenn man sich in die Themen reinkniet, sind sie im Übrigen gar nicht so langweilig.
Ziemlich groß sind Sie ebenfalls. Ist das ein Vorteil in der Politik, hat man einen besseren Überblick?
Ich bin nicht groß, sondern lang. Über die Größe entscheidet die Geschichte. Aber ja, das ist wohl ein Vorteil, weil man auffällt. Und übrigens: Abducken geht deshalb nicht so einfach.
Fühlen Sie sich mit 28 Jahren gewappnet für das höchste deutsche Parlament?
Ja, zehn Jahre Kommunalpolitik lassen einen viel lernen und erleben. Aber klar, wenn ich gewählt werde, bedeutet das einen weiteren Lernprozess. In diesen kann ich die Erfahrungen aus meiner Heimat einbringen und bin dadurch gut geerdet für so manche bundespolitische Entscheidung.
Was braucht es, um ein guter Politiker zu sein?
Authentizität, Bürgernähe, Ehrlichkeit. Ein guter Politiker muss das Ohr nah bei den Menschen haben und lernfähig sein.
Ihre Präsentation kommt heimatbezogen und konservativ daher. Andere junge Leute zieht es in die Welt. Sie nicht?
Nein, ich hatte Angebote, im Bankenwesen in Frankfurt zu arbeiten. Ich schlug das bewusst aus, weil nicht alle weggehen können. Ich liebe meine Heimat und mit den vielen Welterbestätten, der Natur und unserer Geschichte haben wir etwas zu bieten, worauf wir stolz sein können. Gerade dies schafft auch Chancen, junge Menschen hier in Arbeit zu bringen. Die Verkehrsanbindungen sind auf gutem Wege.
Sepp Müller ist gebürtiger Schkönaer, 28 Jahre alt. Er wohnt in Gräfenhainichen, hat einen vierjährigen Sohn und eine feste Partnerin. Er arbeitet bei der Deutschen Kreditbank als Firmenkundenberater.
Zur Politik kam Sepp Müller schon in jungen Jahren. Er war Schulsprecher, beteiligte sich an „Jugend debattiert“ und baute in Gräfenhainichen die erste Ortsgruppe der Jungen Union in Sachsen-Anhalt mit auf. In den Kreistag wurde er mit 18 Jahren gewählt - jetzt, zehn Jahre später, ist er immer noch der jüngste im Wittenberger Kreistag.
Wichtig ist ihm, negativem Denken etwas entgegenzusetzen und ein positives Image in der Region für die Region aufzubauen.
Sie beschäftigen sich besonders mit Finanzen. Dem Bund geht es gut, etlichen Kommunen eher schlecht. Wie kann das geändert werden?
Der Bund-Länder-Finanzausgleich ist gerade erst neu verhandelt worden, wo der Bund den Ländern stark entgegengekommen ist. Es gibt zusätzliche Förderprogramme, etwa sieben Milliarden für Schulbauten. Außerdem wollen wir ein ländliches Wirtschaftsförderprogramm auflegen. Durch die föderalen Strukturen sind die Länder gefordert, das Geld zweckorientiert einzusetzen. Mein Bestreben ist, dass davon möglichst viel Geld bei den Kommunen ankommt, damit vor Ort entschieden werden kann, was besonders wichtig ist.
Die demografische Entwicklung hängt wie ein Damoklesschwert über Teilen des Landes? Macht Sie das nervös?
Nein, weil Bevölkerungsprognosen mit ihrem Erscheinen oft schon veraltet sind. Bei uns sehen wir doch, Kitas, Horte und Schulen sind vielerorts ziemlich voll. Daran orientieren wir uns. Aber natürlich brauchen wir attraktiveren Öffentlichen Nahverkehr, mehr und bessere Infrastruktur, damit sich junge Familien ansiedeln. Gerade die fehlende Ortsumfahrung Coswig ist ein Beispiel. Der demografische Wandel ist eine Herausforderung, Konzepte für die Zukunft zu entwickeln, die in anderen Teilen der Republik noch kommen. Da haben wir dann mit unseren Erfahrungen und Konzepten die Nase vorn. Diese Aufgabe reizt mich.
Würde die Integration von Flüchtlingen leer gezogenen Landstrichen nicht gut tun?
Wir sollten unser Schicksal vor Ort selber in die Hand nehmen. Das funktioniert u. a. mit einer besseren Familienpolitik. Wie bei vielem ist gesundes Augenmaß wichtig, um erfolgreiche Integration hinzubekommen. Die Zahl von Flüchtlingen im ländlichen Raum muss in gesunder Relation zur Bevölkerung stehen. (mz)