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Bomber-Absturz in Prühlitz Bomber-Absturz in Prühlitz: US-Soldat findet letzte Ruhe in Iowa

Von marcel duclaud 05.08.2014, 10:29
Bei der Bergung auf dem Grundstück in Prühlitz, an der Schaufel Enrico Schwartz.
Bei der Bergung auf dem Grundstück in Prühlitz, an der Schaufel Enrico Schwartz. kuhn/archiv Lizenz

mühlanger/Moulton/MZ - Die Flaggen in ganz Iowa flattern auf Halbmast, ein Motorrad-Korso begleitet die lange Prozession, der Trompeter in Uniform setzt an zu einer getragenen Melodie: Hunderte Menschen sind auf den Friedhof in Moulton (US-Bundesstaat Iowa) gekommen, um einem Sohn des Landes die letzte Ehre zu erweisen.

Robert E. Howard heißt er, Bordschütze einer B 26 Marauder, eines zweimotorigen mittelschweren Bombers, der in den letzten Kriegstagen abgeschossen wurde und in Prühlitz bei Mühlanger aufschlug. Fünf von sechs Besatzungsmitglieder fanden den Tod, nur einer, der Heckschütze, konnte sich retten, er soll mit seinem Fallschirm bei Zörnigall gelandet und festgenommen worden sein. Das ist 69 Jahre her, die fünf Soldaten der US Air Force galten Jahrzehnte als vermisst. Mit der feierlichen Beerdigung in Moulton findet eine so bewegende wie aufwändige und langwierige Suchaktion ihren zumindest vorläufigen Abschluss. Das ist nicht zuletzt für die Familien ungemein wichtig, auch wenn schon so viel Zeit verstrichen ist. Als vor wenigen Tagen die in Prühlitz gefundenen sterblichen Überreste des Sergeanten zu Grabe getragen werden, stehen hochbetagte Brüder und Schwestern, Nichten und Neffen von Robert E. Howard an seiner letzten Ruhestätte: „Heute ist er nach Hause gekommen“, lautet einer der Sätze, die während der Beisetzung fallen.

Ehrenamtliches Team sucht nach vermissten Alliierten

Bewegt sind auch mehrere Deutsche, die zwar nicht in Iowa dabei sind, aber maßgeblichen Anteil daran haben, dass der Soldat der US-Army mit militärischen Ehren in seiner Heimat begraben werden kann. „Das geht ans Herz, da kriegt man Gänsehaut“, sagt Thomas Jaskowiak, Ortsbürgermeister von Mühlanger. „Ich will, dass dieses Kapitel abgeschlossen werden kann.“ Jaskowiak hat eng mit dem kleinen, ehrenamtlich agierenden Team um den Bremer Enrico Schwartz zusammen gearbeitet, das es sich zum Ziel gesetzt hat, vermisste Alliierte aus dem Zweiten Weltkrieg aufzuspüren. Missing Allied Air Crew Research Team (MAACRT) nennt sich die Gruppe, die auf verschlungenen Wegen nach Prühlitz kam. Nämlich auf Bitten der Schwester des Co-Piloten Dwight Kendall Booth, Marion Petersen. Sie war bereits 2006 an der Absturzstelle, einer der noch lebenden Augenzeugen, Erhard Heinrich, hat in seinem Buch „Wittenberg brennt“ über den Absturz berichtet. Der Text kam in die USA und wurde dort von einer Zeitung gedruckt. Über einen Holländer sind schließlich Kontakte nach Deutschland geknüpft worden, um die quälende Ungewissheit endlich zu beenden.

Der jetzt zu Grabe getragene Bordschütze des Bombers der US Air Force, der am 16. April des Jahres 1945 abgeschossen wurde und in Prühlitz bei Mühlanger abstürzte, ist gerade mal 21 Jahre alt geworden. Robert E. Howard wurde am 19. Dezember 1923 in Iowa geboren und trat im März 1943 in die Armee ein. Ein Jahr jünger war Co-Pilot Dwight Kendall Booth, als er in Deutschland starb, er soll just an dem Tag einer anderen Maschine zugeteilt worden sein, nämlich der, die dann abstürzte.

Einer der noch lebenden Augenzeugen ist Erhard Heinrich. Er hat den Absturz in Prühlitz verfolgt, kann sich noch erinnern an das „unheimliche Pfeifen und Rauschen“ der Bomben, die dem Bahnhof Wittenberg galten. Heinrich sah die getroffene Maschine, die Rauchfahne und eine Stichflamme, das Abkippen und die Rechtskurve in Richtung Prühlitz. Dort krachte der Flieger ins Haus von Schuhmachermeister August Peterson. Alles ging in Flammen auf, die Bewohner wurden wie durch ein Wunder nicht verletzt, sie konnten sich aus dem Keller retten - wohl auch deshalb, weil keine Bomben mehr an Bord des Flugzeuges waren. Heinrich, der damals bei der Feuerwehr war, half bei den Löscharbeiten nach der Katastrophe.  (mac)

Schwartz und sein Team begannen 2012 auf einem Grundstück nahe der Absturzstelle mit der Suche nach Überresten - und wurden tatsächlich fündig: Uniformstücke, Handschuhe, Knochen konnten aus der Erde geborgen werden. Das war der Punkt, an dem sich die auf Hawaii stationierte Spezialeinheit der US-Streitkräfte Joint Pow/Mia Accounting Command (JPAC) einschaltete, selbst nach Prühlitz kam und erfolgreich weitergrub, Teile der Pilotenhelme, Taschenmesser, Splitterschutzwesten und anderes mehr konnten damals freigelegt werden.

Überreste des Bordschützen in Prühlitz gefunden

Ein DNA-Test hat ergeben, dass es sich nicht, wie zunächst vermutet, um Pilot und Copilot handelte, deren sterbliche Überreste in dem Prühlitzer Garten begraben worden waren nach der Tragödie, sondern um zwei Bordschützen. Eben jenen Robert E. Howard, der jetzt beigesetzt wurde, und zudem um David Kittredge, dessen Begräbnis noch aussteht, weil es laut Enrico Schwartz Schwierigkeiten mit der Familie gibt.

Schwartz ist ein bisschen hin- und hergerissen. Einerseits spricht er von einem Riesenerfolg: „Anfangs schien es unmöglich, hier noch was aufzuklären. Am Ende wurde es eine Bilderbuch-Aktion. Das wäre nicht passiert, wenn es uns und die Menschen von Mühlanger nicht gegeben hätte.“ Andererseits versteht er nicht, dass die Anerkennung der US-Army sich offenbar in Grenzen hält. Es gibt nach seinen Worten auch kein Signal des Militärs, sich in der Sache weiter engagieren zu wollen. Denn nach wie vor gelten drei der sechs Besatzungsmitglieder als vermisst, darunter auch der Co-Pilot, durch dessen Schwester die Suchaktion erst möglich wurde. Thomas Jaskowiak vermutet, dass die drei Toten dort liegen, wo sich womöglich die Trümmer des abgestürzten Fliegers befinden. Unter dem nahen Rodelberg. Bei Deicharbeiten waren unweit des Hügels Reste eines Propellers entdeckt worden. Sowohl Schwartz als auch Jaskowiak lässt die unklare Situation keine Ruhe: „Ich würde das Thema gerne anfassen, möglichst kurzfristig. Wir werden alle nicht jünger, noch leben einige Augenzeugen“, erklärt der Ortsbürgermeister. Allein die möglichen Ausmaße bereiten ihm Sorge: „Da ist einst viel Müll entsorgt worden. An dem Berg zu graben könnte heikel und teuer werden. Das ist als privates und ehrenamtliches Unternehmen nicht mehr zu machen. Das ist eine Nummer zu groß.“

Im Netz bei www.youtube.com ist unter dem Titel „Fallen WWII Airman’s remains are returned to Iowa“ ein Video hochgeladen, das die Beerdigungszeremonie dokumentiert.

Hunderte kamen zu der feierlichen Beerdigungszeremonie.
Hunderte kamen zu der feierlichen Beerdigungszeremonie.
youtube Lizenz