Architektur Architektur: OB nennt Schorlemmers Kritik einen Rundumschlag

wittenberg/MZ - Bislang hat sich die Verwaltungsspitze bedeckt gehalten. Jetzt stellt sich Oberbürgermeister Eckhard Naumann (SPD) in einem Interview den Fragen von MZ-Redakteur Marcel Duclaud.
Finden Sie die Debatte belebend - oder ärgerlich?
Naumann: Belebend. Die Stadt ist ein sich ständig entwickelnder Organismus. Und die demokratische Ordnung erwartet Debatten ja geradezu. Im Übrigen führen wir sie schon seit langem, ich verweise auf Bürgerforen zum Thema „Neues Bauen in einer alten Stadt“.
Können Sie Schorlemmers Argumentation nachvollziehen oder halten Sie sein Verdikt für anmaßend?
Naumann: Ich kann das schon nachvollziehen. Friedrich Schorlemmer ist einer, der zuspitzt, auch was die Entwicklungen der Stadt betrifft. Allerdings ist das ein Rundumschlag, ohne zu unterscheiden, wer Verantwortung hat, wer Bauherr ist. Der Text transportiert zu viel Unschärfe.
Braucht die Stadt eine Debatte über modernes Bauen im historischen Kontext?
Naumann: Klar, die braucht jede Stadt immer wieder. Wie viel Veränderung ist akzeptabel, wie viel Regelung nötig? Das Motto sollte heißen: Nicht historisieren, sondern weiterbauen - mit ausreichend Sensibilität für das, was die Vorfahren hinterlassen haben. In Wittenberg gibt es das seit Anfang der 90er Jahre: eine Gestaltungssatzung, Architekturwettbewerbe, das Einschalten der Denkmalpfleger von Icomos. Ein Minimalkonsens hat sich immer gefunden. Schorlemmers Polemik geht an den Realitäten vorbei.
Wie gelungen finden Sie persönlich den Anbau am Luther- und den Neubau am Melanchthonhaus?
Naumann: Beides ist gewöhnungsbedürftig. Geschaffen wird ein starker Kontrast zu den Bauten, die ergänzt werden sollen.
Aber bei der Frage, was ästhetisch gelungen ist, gibt es keine letzte Instanz. Ich persönlich finde den Bruch beim Neubau zum Melanchthonhaus zu groß. Aber Bauherr sind die Luthergedenkstätten, die haben entschieden, ich akzeptiere das.
Und wie steht es mit dem geplanten Verbinder zwischen Lutherhaus und Augusteum? Viele fürchten, dass die Atmosphäre des Hofes damit verloren geht.
Naumann: Eine spannende Frage, noch gibt es nur Skizzen. Der Bauherr ist in der Pflicht, das der Öffentlichkeit zu erklären. Was freilich nicht funktioniert: Alles soll besser werden, aber nichts darf sich verändern.
Kritiker werfen Schorlemmer vor, er habe sich, als die wichtigen Sitzungen anstanden, nicht gekümmert, lehne sich jetzt aber weit aus dem Fenster. Wie sehen Sie das?
Naumann: Das ist ein wohlfeiler Vorwurf. Allerdings: Leuten, die sich kümmern, vorzuwerfen, es nicht richtig zu tun und selbst nicht dabei sein, ist auch neben der Spur. Kritik ist ebenso notwendig wie das Akzeptieren von Entscheidungen der Mandatsträger.
Warum hat die Verwaltung so lange gebraucht, um auf die Debatte zu diesem Thema zu reagieren?
Naumann: Sicher, wir haben Schorlemmers Beitrag nicht sofort kommentiert, aber in der Diskussion sind wir permanent. Man muss nicht über jedes Stöckchen springen, das einem hingehalten wird.