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Einzugsbereiche Amt macht Schule in Wittenberg

Der Stadtrat stößt an seine Grenzen und verschiebt die erwartete Entscheidung über einen Neuzuschnitt der Schuleinzugsbereiche. Knackpunkte sind Wahlrecht und ÖPNV.

16.04.2021, 18:25

Wittenberg - Zum Nachsitzen hat sich der Wittenberger Stadtrat beim Thema Neuzuschnitt der Grundschulbezirke verdonnert. Die Entscheidung fiel allerdings nicht ganz freiwillig und daher auch entsprechend knapp aus: Mit 19 zu 15 bei vier Enthaltungen entschied man sich für eine erste Lesung. Damit werden die geplanten Änderungen nicht wie ursprünglich vorgesehen zum Schuljahr 2021/2022 in Kraft treten können und also die bisherige Satzung weiter Bestand haben.

Nur einer kommt durch

Vergeblich hatte Bürgermeister Jochen Kirchner auf der Ratssitzung am Mittwoch dafür geworben, den Vorschlag der Verwaltung ohne Änderungsforderungen passieren zu lassen. Drei entsprechende Anträge aus den Fraktionen lagen dazu vor und gescheitert ist das Gesamtvorhaben nun vorläufig exakt an diesen: Der Landkreis als Träger des Öffentlichen Personennahverkehrs und das Landesschulamt, die dem ursprünglichen Wittenberger Vorschlag beide zugestimmt hatten, haben sich nun ausdrücklich gegen zwei dieser neuen Änderungen ausgesprochen.

Allein gegen eine weitere Beschulung der kleinen Braunsdorfer in Reinsdorf - das ist der SPD-Antrag - statt künftig in Nudersdorf spräche nichts, hieß es seitens der Behörden. Knackpunkt bei der Bewertung der beiden anderen Änderungsanträge, die die Freien Wähler pro Abtsdorf beziehungsweise die Linke für Braunsdorf durchsetzen wollten, sind für Landkreis und Schulamt das angestrebte Wahlrecht in Verbindung mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

Wahlrecht bedeute immer auch mehr Aufwand beim Schüler-Transport, heißt es sinngemäß in deren Schreiben, weshalb man grundsätzlich gegen Wahlrechte sei. Im Fall Abtsdorf komme darüber hinaus eine anstehende Veränderung in der Linienführung im ÖPNV als Hindernis hinzu. Wie berichtet hatten die Freien Wähler in ihrem Änderungsantrag gefordert, Familien aus dem Wohngebiet westlich der Triftstraße künftig die Wahl zu lassen, ob sie ihre Kinder wie bisher in der Grundschule „Geschwister Scholl“ oder lieber in Abtsdorf einschulen lassen.

Die Linke hatte als „Kompromiss“ für die Braunsdorfer vorgeschlagen, ihnen die Wahl zwischen Reinsdorf und Nudersdorf zu bieten; die Stadtverwaltung wollte und will die Braunsdorfer Erstklässler demgegenüber sämtlich in den Nachbarort schicken, um die zahlenmäßig etwas schwächelnde Grundschule in Nudersdorf zu stärken und gleichzeitig die Reinsdorfer „Heinrich Heine“ zu entlasten.

Die Argumentation von Amts wegen sorgte im Stadtrat parteiübergreifend für gelinde Empörung. „Kinder sind zu befördern!“, kritisierte etwa Stefan Kretschmar (Freie Wähler) die Verquickung von Wahlrecht und ÖPNV. Auch Horst Dübner (Linke) signalisierte, dass er sich gegängelt fühle: „Wir werden eure Satzung nicht genehmigen“, fasste er seine Interpretation der Botschaft von Kreis und Schulamt zusammen. Nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung zu Beratungszwecken entschied man sich dann für eine erneute Behandlung, also die genannte erste Lesung. Eine Entscheidung wird nun wohl erst parallel zur Schulentwicklungsplanung des Landkreises fallen, welche laut Kirchner im zweiten Halbjahr stattfinden wird.

Gesamtinteresse im Blick

Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) nutzte die Debatte, um an die Stadträte zu appellieren, das „Gesamtinteresse“ der Stadt im Blick zu behalten. Es gelte, alle Grundschulen im Stadtgebiet zu erhalten, denn diese seien insbesondere auf dem Land der „Nährboden“ für Feuerwehr und Sportvereine. Über das Ziel besteht auch Einigkeit. Manchmal aber, wie im Fall Braunsdorf, das den Nachwuchs nicht an Nudersdorf verlieren will, sind die Interessen der einen just die Befürchtungen der anderen. (mz/Irina Steinmann)