Adventskalender Himmels-Blicke Adventskalender Himmels-Blicke: Türchen 1: Von Luther, Heino und Helene Fischer

Wittenberg - Genug der festen Burg. Es gilt wieder „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Aller Orten stimmen Chöre in diesen Tagen das bekannte Weihnachtslied an. Eines von Martin Luther. Die „Wittenbergisch Nachtigall“, wie Hans Sachs ihn nannte, schuf zu allen christlichen Festen Lieder, insgesamt über dreißig an der Zahl.
Dieses Weihnachtslied dichtete er angeblich 1534 für die Weihnachtsbescherung seiner eigenen Kinder, der älteste Sohn war 1526, also acht Jahre zuvor, die jüngste Tochter Margarete gerade am 17. Dezember geboren. „Kinderlied auff die Weihenachten“ überschrieb Martin Luther das Lied, das im Jahr darauf erstmals im Wittenberger Gesangbuch veröffentlicht wurde.
Leichter als die zeitliche Zuordnung fällt die Suche nach dem Vorbild, nach jenen Strophen, die Luther hier für eigene Zwecke entfremdet, gewissermaßen „coverte“. Das Spielmannslied „Ich kumm aus fremden Landen her“ ist bereits im 15.
Jahrhundert nachweisbar und verkündet eine ganz andere Botschaft: „Ich kumm aus fremden Landen her / Und bring euch viel der neuen Mär / Der neuen Mär bring ich so viel / mehr dann ich euch hie sagen will. / Die fremden Land, die sind so weit / Darin wächst uns gut Sommerzeit / Darin da wachsen Blümlein rot und weiß / Die brechen die Jungfrauen mit ganzem Fleiß. / Und machen daraus einen Kranz / Und tragen ihn an den Abendtanz / Und lassen Gesellen darum singen / Bis einer das Kränzlein tut gewinnen.“
Es ist ein sogenanntes Kranzlied, das mit diesen Versen beginnt – ein Wechselgesang, mit dem die Burschen um ein Blumengebinde wetteifern. Und darum begegnet man den „Jungfrauen“ auch im Plural, während es bei Luther natürlich nur die eine, auserkor’ne geben kann.
Schließlich hat er das weltliche Vorbild mit Hilfe einer Kontrafaktur, also einer Überschreibung, geistlich umgewidmet – und seiner eigenen Familie und Gemeinde so direkten Zugang zu der „guten, neuen Mär“ eröffnet. Im Kranzspiel nämlich werden besonders spannende Neuigkeiten honoriert, deren Überbringer miteinander konkurrieren. Luther aber geht es ganz konkret um die eine, gute Nachricht, die der himmlische Bote zu verkünden hat.
Textvorlage ist ihm die Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Lukas. Darin erscheint den Hirten ein Engel und verkündet ihnen die Geburt des Messias in einem Stall. Die Hirten machen sich nach Bethlehem auf und finden alles so vor, wie es ihnen der Engel gesagt hatte.
In seinem 15-strophigen Lied, zu dem Martin Luther später noch selbst die Choralmelodie komponierte, lässt er verschiedene Personen und Gruppen sprechen: Engel, Hirten, Gläubige. So wird daraus keine eindimensionale Erzählung sondern ein szenischer Entwurf, wie man ihn auch aus dem Krippenspiel kennt. Nacheinander werden verschiedene Blickwinkel eingenommen, die jeder Betrachter mit seinen eigenen Augen sieht – als Gesandter des Himmels wie als Betender an der Krippe.
Die Gegenwart neigt übrigens zu simpleren Botschaften: Laut Auskunft des Internet-Portals Statista führt „Stille Nacht, heilige Nacht“ mit weitem Abstand die Liste der beliebtesten deutschen Weihnachtslieder an, auf den Rängen zwei und drei folgen „Leise rieselt der Schnee“ und „Fröhliche Weihnacht überall“.
„Vom Himmel hoch“ ist unter den Top Ten nicht vertreten, auch wenn es in den Christvesper-Charts der evangelischen Gemeinden einen ewigen Spitzenplatz behauptet und schon im 16. Jahrhundert über Deutschlands Grenzen hinaus gesungen wurde. „Van hoochde des Hemels coem ick hier“ und „Ik koom van Hoogen Hemels Sael“ hieß es in den Niederlanden, der schottische Dichter und Theologe John Wedderburn, der sich 1540 bis 1542 bei Luther in Wittenberg aufgehalten hatte, publizierte das Weihnachtslied 1567 in schottischer Übersetzung als „I come from heuin to tell“.
In den USA erschien das Weihnachtslied als „Good news from heaven the angels bring“. Nicht zuletzt sorgte Johann Sebastian Bach für Popularität. In seinem „Weihnachtsoratorium“ finden sich allein drei Choräle, die auf Luthers „Vom Himmel hoch“ fußen. Felix Mendelssohn Bartholdy, Max Reger und Igor Strawinski ließen sich ebenso von dem Engelsgesang inspirieren. Und in jüngerer Zeit sind es längst nicht nur Chöre und klassische Sänger, die sich des Luther-Liedes annehmen.
Heino, die Flippers und Xavier Naidoo mit Helene Fischer – übrigens mit Engelsflügeln im Video – singen von der frohen Botschaft. Deshalb also: „Des freuen sich der Engel Schar' und singen uns solch neues Jahr“. (mz)