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Adventskalender 2016 Adventskalender 2016: Türchen 10: In Wald und Flur zu Hause

Von Klaus Adam 10.12.2016, 04:30

Annaburg - Als gelernter Forstfacharbeiter und späterer Forst- und Agrarökonom ist der Annaburger Klaus Nehring jetzt als Naturschützer zwar mittendrin in seinem ursprünglichen Metier. Und doch brachte ihn genau genommen seinerzeit die politische Wende dazu, dass er heute einer der viel gefragten Leute ist, wenn es um Natur und Umweltschutz geht.

Was auf den Tisch kommt, weiß ich gar nicht. Dieses Jahr sind die Kinder dran, das Festmahl vorzubereiten, da esse ich bei ihnen. Wir haben noch nicht darüber gesprochen.

Weihnachten bedeutet für mich, vor allem ein Familienfest. Für meinen Großvater bedeutete das immer Frieden. So bin ich groß geworden und erzogen worden. Meine Kinder wohnen gleich nebenan. Nur die Enkeltochter wohnt inzwischen in Jessen und ist dazu noch am 26. Dezember geboren.

Nicht verzichten möchte ich auf ein gutes Bier oder einen guten Cognac. Und auf keinen Fall auf die Weihnachts-CD, -DVD und -platten. Damit kann ich auf das unqualifizierte TV-Angebot verzichten und selbst entscheiden, was ich wann anschauen möchte.

Die größte Weihnachtskatastrophe - gab es noch nicht. Darüber habe ich mir aber bisher eigentlich noch keine Gedanken gemacht.

Denn als früherer SED-Parteisekretär des Annaburger Forstbetriebes, woraus er keineswegs ein Geheimnis macht (als Linker sitzt er nach wie vor im Annaburger Stadtrat), fand er eine ganze Weile nach der Wende erstmal nur eine Anstellung als ABM-Beschäftigter. Doch, und das ist der Punkt, ab 1998 ausgerechnet in der Naturschutzstation in Hemsendorf.

Die wurde seinerzeit vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) im Auftrag des Kreises betrieben. „Daraus entstand auch ein gewisses Bedürfnis, sich mit solchen Dingen intensiver zu beschäftigen. Da habe ich angefangen zu lernen und zu studieren, zum Beispiel von solchen Leuten, wie Peter Raschig“, dem in der Region als Storchenexperten bekannten Jessener Naturfreund, erzählt Klaus Nehring. Seit vielen Jahren ist das Objekt inzwischen jedoch geschlossen, was Nehring auch heute noch sehr bedauert.

Klaus Nehring ist gegen Regulierung per Flinte

Seither zählen die Belange um den Schutz von Störchen, Bibern, Eulen, Greifvögeln und anderem Getier zu seinem Leben, wie Essen und Trinken. Und da geht der Annaburger voll auf. „Das macht Spaß, fordert aber von einem ab, sich nicht nur zu belustigen, sondern sich intensiv mit den Dingen zu beschäftigen.“

Im Ergebnis scheut sich Nehring auch keineswegs vor kontroversen Diskussionen. Die zu führen hat er auf diversen Veranstaltungen, wie erst jüngst zum Thema Biber in Kemberg, beste Gelegenheiten.

Es gibt zumindest in der Jessener Region kaum einen Storchenhorst, den Nehring nicht regelmäßig auf seine Sicherheit überprüft. Gemeinsam mit Naturfreunden bereitet er zum Beispiel neue Nester auf ausgedienten Rädern von Beregnungsanlagen vor. Möbelt sie gewissermaßen mittels Weidengeflecht auf. Man könnte auch sagen, möbliert sie für Neuankömmlinge. Nicht wenige der bestehenden Horste hat er in der Vergangenheit mit saniert.

Was meist so aussieht, dass ein guter Teil der von den langbeinigen Klapperschnäbeln aufgebauten Nester abgetragen wird. Denn jedes Jahr bauen die Adebare weiter, selbst, wenn sie denselben Horst schon im vergangenen Jahr bewohnten. Da können nach ein paar Jahren schon mal Lasten von etlichen hundert Kilogramm zusammenkommen. Was für manchen alten Schornstein zum Beispiel bald zur existenzbedrohenden Größenordnung anwachsen kann.

Sich mit dem 73-jährigen Annaburger über die Natur und vor allem ihre Fauna zu unterhalten, führt einen schon bald unweigerlich zum Wolf. Der Biber ist thematisch gesehen davon nicht weit weg. Weil einige Zeitgenossen die Populationsdichte beider Arten gerne mit der Flinte regulieren wollen. Und dagegen tritt Klaus Nehring entschieden ein.

Nicht selten hört er zur Begründung: Der Biber ist doch so ein niedliches Tier. Der muss geschützt werden - aber hier muss er weg! Sobald es die persönliche Sphäre betrifft, weiß Klaus Nehring aus genügend eigener Erfahrung, da hört sogar bei manchem Tierschützer der Tierschutz auf.

Dass nicht jedes Gespräch oder jede Auseinandersetzung zum Erfolg führt, darüber ist sich der Annaburger klar. „Wir leben in einer Zeit der Kompromisse. Nicht alles, was ich gerne erreichen möchte - das ist in der Kommunalpolitik genauso wie im Artenschutz -, kann ich mit einer Hau-ruck-Aktion zu meiner vollen Zufriedenheit lösen.“ Es gelte, Partner für einen Kompromiss zu finden. Was oft schwer genug falle. „Es bedarf auch einer gewissen Bereitschaft des Zuhörens und des Etwas-lösen- Wollens.“

Es gibt inzwischen Bundesländer, zu denen die sächsischen Nachbarn zählen, in denen Biber etwa unter bestimmten Umständen abgeschossen werden können. Nehring hofft, dass sich Sachsen-Anhalt dieser Tendenz nicht unterwirft. „Man kann über alles reden“, sagt er über seine Intentionen, „außer über den Abschuss. Die Probleme müssen anders gelöst werden.“ Aber „vernünftige Regelungen“, wie der Annaburger meint, kann eben nur das Land treffen.

Doch selbst wenn das Umweltbewusstsein inzwischen die Köpfe und Herzen vieler erreicht hat - die Arbeit des Annaburgers und seiner vielen anderen Mitstreiter wird mit der Zeit nicht leichter. Die staatlichen Behörden sind auf die ehrenamtlich Tätigen angewiesen. „Ohne die Ehrenamtlichen können die gar nicht.“ Doch man schaue sich nur deren Altersstruktur an. Es braucht auch hier jüngere Nachfolger. „Das Ehrenamt“, so Klaus Nehring, „muss an Schulen gewonnen werden. Dazu brauche ich engagierte Lehrer.

Und die jungen Leute, die das Durchstehvermögen haben unter dem Aspekt, dass Ehenamt nicht bezahlt wird.“ Solche Vereine wie der Nabu selbst können aus ihren eigenen Reihen kaum neue Ressourcen fürs Ehrenamt erschließen. „Wir betreiben das Hobby, das es natürlich auch ist, doch nicht zum Selbstzweck“, meint der Annaburger Klaus Nehring. „Es geht letztlich um den Artenschutz.“ (mz)

Fachliteratur über Natur und Umwelt hat der Annaburger Klaus Nehring immer griffbereit.
Fachliteratur über Natur und Umwelt hat der Annaburger Klaus Nehring immer griffbereit.
Sven Gückel