Addieren am Rechentisch
Wittenberg/MZ. - So unternahmen im Rahmen einen Vortrags des Heimatvereins Manfred Kulbe und Manfred Richter eine Reise ins 16. Jahrhundert. In eine Stadt, die dank der Universitätsgründung 1502 im Wachsen begriffen war. Die neben Studenten und Professoren auch Juristen und Schreibkundige für die kurfürstliche Kanzlei brauchte. Und nicht zuletzt auch Rechenmeister benötigte, die über das einfache Abzählen an den Fingern hinaus mit größeren Summen rechnen und Bilanzen erstellen konnten.
Wittenberg besaß solch einen Rechenmeister, einen für damalige Zeit sehr berühmten sogar. Johann Albert (zuweilen auch Albrecht), vermutlich 1488 in Zörbig geboren, stand bei den Rechenmeistern des 16. Jahrhunderts auf Platz zwei hinter Adam Ries, sagte Manfred Richter. "Mathematikhistoriker sind der Auffassung, dass er zu den bedeutendsten Wittenberger Bürgern gehörte und eine entsprechende Würdigung erfahren sollte." Nur, wer kennt Johann Albert heutzutage in Wittenberg?
Die beiden Vortragenden zogen die spärlichen Quellen zu Rate. Es ist nicht bekannt, wann Albert nach Wittenberg gekommen ist, auch nicht seine Vorbildung. 1524 wird er als Stuhlschreiber erwähnt, also einer, der beim Verfassen von Schriftstücken half. 1524 bis vermutlich 1550 oder 1554 war er Gehilfe des Schulmeisters in der "Iunkfrauenschule". Ab 1535 / 36 bis 1558 war Johann Albert Küster der Stadtkirche. "1534 erscheint sein erstes Rechenbüchlein", schilderte Manfred Kulbe die bekannten Eckpunkte des Lebens. 326 Seiten hatte es, leider ist kein Original erhalten. 1541 erschien ein zweites Werk, in dem die Rechenarten "auf den Linien" und "auf der Feder" erläutert wurden und in dem Beispiele zu finden sind.
Hat ein Gasthaus acht Kammern, jede Kammer zwölf Betten und in jedem Bett liegen drei Gäste ... - diese und ähnliche Aufgaben waren zu lösen, indem man "auf den Linien" rechnete. Manfred Richter stellte das Arbeiten am Rechentisch vor. Vier waagerechte Linien und deren Zwischenräume sowie eine Senkrechte reichten, um Grundrechenarten mit den damals üblichen römischen Ziffern auszuführen. Dafür gab es spezielle Rechenpfennige, diese waren kein Zahlungsmittel, wurden aber als eine Art "Chip" genutzt, der je nach Position auf dem Tisch einen bestimmten Wert verkörperte.
Unterstützung erhielten die Wittenberger von Professor Ullrich Reich aus Bretten, Wirtschaftsinformatiker und Mathematikhistoriker, sowie dem Adam-Ries-Bund in Annaberg-Buchholz. "Nur 28 Rechentische, zwei Rechenbretter und neun Rechentücher sind erhalten", erzählte Richter. Der Wittenberger Tisch, 272 mal 158 Zentimeter groß, diente unter anderem zum Berechnen des Inhalts des Gemeinen Kastens, einer Art "Sozialkasse" damaliger Zeit. Darauf sind drei Linienschemata, an denen gleichzeitig gerechnet wurde. Johann Albert starb 1558 in Wittenberg, sein Begräbnistag ist der 12. Juni.