1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. 28. Fährleutetreffen: 28. Fährleutetreffen: Über 60 Teilnehmer auf Pretzscher Fähre

28. Fährleutetreffen 28. Fährleutetreffen: Über 60 Teilnehmer auf Pretzscher Fähre

Von Karina Blüthgen 08.11.2015, 15:40
Fährmann, hol über: Aus ganz Deutschland waren sie in Pretzsch.
Fährmann, hol über: Aus ganz Deutschland waren sie in Pretzsch. Christel Lizenz

Pretzsch - „Wir sind eine große Familie“, sagt Berthold Göller aus Pettstadt. „Und wir mögen uns alle sehr leiden.“ Tatsächlich ist die Atmosphäre auf der Pretzscher Fähre völlig entspannt, obwohl hier nord-, mittel- und süddeutsche Dialekte aufeinandertreffen. Sogar die Sonne lugt heraus und taucht die Elbe wie die umgebende Landschaft in ein goldiges Licht.

Bewahren einer Tradition

Ausnahmsweise setzt am Sonnabend die Fähre nach Mauken über, doch die wenigen Autofahrer warten vergebens. An diesem Tag ist nur Platz für ein Zelt und über 60 Fährleute aus ganz Deutschland, die hier ihr 28. Treffen abhalten. Unter dem Dach lässt es sich prima Kaffee und Kuchen genießen. Der Wartenburger Anglerchor singt, und Bad Schmiedebergs stellvertretender Bürgermeister Frank Heerwald erklärt, dass sich die Menschen der Region hier lieber eine Brücke wünschen. „Aber dann würde eine Tradition verloren gehen“, fügt er hinzu.

Die Arbeitsgemeinschaft Binnenfähren in Deutschland gibt es seit 1996. Sie ist an das Deutsche Schifffahrtsmuseum Bremerhaven angegliedert. Die AG hat acht bis zehn feste Mitglieder, die im Zusammenhang mit dem Fährleutetreffen zusammenkommen und Vorträge organisieren.

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft forschen zum Thema Binnenfähren, sammeln geschichtliche Fakten wie aktuelle Meldungen und führen eine Fährdatei. In Deutschland gebe es über 300 Fährstellen, sagt Hanna Fastenrath aus Solingen, die selbst keine Fährfrau ist. Sie betreibt privat ein Rheinfährenarchiv.

Schon 1998 waren mehr als 80 Fährleute zum Treffen in Pretzsch angereist. Damals herrschte Hochwasser, eine Fahrt mit der Fähre war nicht möglich.

Das können die Anwesenden nur bestätigen. Sie sind Fährleute mit Leib und Seele. Berthold Göller etwa, der bei Bamberg über die Regnitz fährt (und damit der südlichste der Angereisten ist), hilft dem hauptberuflichen Fährmann Reinhold Schuhmann aus. „Sein Opa war Fährmann, mein Opa war Fährmann. Da wächst man damit auf“, schildert der 53-Jährige die Hintergründe, warum er vor sechs Jahren die Prüfung ablegte. Im kommenden Jahr wird die Gierseilfähre in Pettstadt 555 Jahre alt, „dann ist das Treffen bei uns“.

Die nördlichste Fähre der Anwesenden ist zugleich auch die kleinste, Niels-Uwe Saß vertritt sie. Er ist Mitglied eines Vereins, der die Fähre Kronsnest in Schleswig-Holstein über die Krückau, einen Nebenfluss der Elbe, betreibt. Die Kahnfähre fasst gerade mal sieben Personen (plus Fahrrad). „Das ist eine alte Fährverbindung, 1576 erstmals erwähnt“, erzählt Saß. Bei der Dorferneuerung habe man Ideen gesammelt, da habe man sich entschlossen, die alte Fährverbindung wieder aufleben zu lassen.

Die größte Fähre hingegen befehligt Peter Schultze. Der 50-Jährige setzt auf der Unterweser, 20 Kilometer vor der Nordseeküste, zwischen Brake und Sandstedt über. 55 Meter lang ist die Doppelendfähre, die vier Motoren mit 1.000 PS brauchen für den einen Kilometer vier Minuten. Schultze ist der einzige Salzwasserkapitän unter den „Süßwasserratten“ und macht den Job auf der Schnellfähre seit 24 Jahren. „Alle, die hier sind, sind mit dem Herzen dabei“, weiß er.

Bei Wind und Wetter draußen

Fähren von fast allen größeren Flüssen sind in Pretzsch repräsentiert, unter anderem von Elbe, Rhein, Mosel, Saale, Neckar. Nur Donau nicht. Ist Fährmann ein aussterbender Beruf? „Es ist nicht einfach, einen Fährmann zu bekommen“, bestätigt Hanna Fastenrath. Die Frau aus Solingen ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Binnenfähren. Aber dem Vergleich mit der Roten Liste würde sie zustimmen, meint sie lachend. Denn attraktiv ist es für viele nicht, wochen- wie feiertags bei Wind und Wetter draußen zu sein. Das weiß auch Reinhard Bolte, der auf der Fähre Veckerhagen über die Weser setzt, die Hessen und Niedersachsen verbindet.

„Beim letzten Mal vor 15 Jahren waren wir in Pretzsch 120 Fährleute“, erinnert er sich. Schon seit 39 Jahren ist Bolte Fährmann und damit der Dienstälteste der Anwesenden in Pretzsch. Sein Arbeitsort ist eine Gierseilfähre mit Hochseil, die bei normalem Wasserstand den 85 Meter breiten Fluss überwindet. „Pause ist nur bei Hoch- und Niedrigwasser oder viel Eisgang“, erzählt er. Wobei seit den 80er Jahren kaum mehr Eis entsteht, durch die vielen Kalisalze im Fluss. (mz)

Der Wartenburger Anglerchor singt auf der Fähre Seemannslieder.
Der Wartenburger Anglerchor singt auf der Fähre Seemannslieder.
Christel Lizenz