US-Veteran berichtet US-Veteran berichtet: Wie Weißenfels von der Nazi-Herrschaft befreit wurde

Weißenfels - Fast ist es, als hätte er auf eine Kontaktaufnahme gewartet. Keine fünf Stunden vergehen und der 91-Jährige hat alle Fragen des Autors per E-Mail beantwortet, sehr umfangreich, bemüht, auf jede Frage detailliert einzugehen.
Chester Yastrzemski ist der einzige noch lebende Zeitzeuge von jenen Soldaten der 69. US-Infanteriedivision, die Weißenfels am 14. April 1945 von der Nazi-Herrschaft befreit haben. Zu seiner schnellen Antwort sagt er: „Mein Motto ist, niemals auf morgen zu verschieben, was ich heute noch tun kann.“
US-Truppen rücken in NS-Deutschland ein: In Weißenfels wurde mehrere Tage lang gekämpft
Nur auf die Ereignisse in und um Weißenfels muss er nach 72 Jahren passen. Natürlich wurde hier mehrere Tage gekämpft, doch für den Soldaten selbst müssen die Gefechte nicht so herausragend gewesen sein, zumal sie von verschiedenen Einheiten an unterschiedlichen Orten der Stadt bestritten wurden. Yastrzemski sagt: „Du fühlst dich vom Feind bedroht und es gibt immer die Möglichkeit von Tod oder Verletzung. Aber dann kommt das nächste Ziel, das noch schwerer sein kann als das vorherige.“
Er verweist auf die umkämpfte Einnahme von Leipzig als einer der größten Städte Deutschlands, wo es teilweise regelrechte Belagerungen gegeben hat. Eilenburg hingegen wurde fast völlig zerstört. Drei Tage und Nächte wurde die Stadt beschossen. 90 Prozent des Stadtzentrums waren zerstört, 65 Prozent der Häuser insgesamt. Ein Ultimatum der Amerikaner wurde nicht beachtet.
US-amerikanischer Veteran berichtet über Einmarsch in Deutschland
Chester Yastrzemski schreibt: „Die Infanterie-Einheiten sind in die Stadt vorgerückt und weiße Fahnen der Kapitulation waren zu sehen. Die wurden dann wieder eingeholt und die deutschen Einheiten eröffneten das Feuer.“ Daraufhin wurden Bomben und Sprengstoff eingesetzt.
Mit dabei war der amerikanische Veteran, als es zur ersten Begegnung mit der sowjetischen Armee kam. Er sagt: „Das war vielleicht die beste Anerkennung für unsere Abteilung.“ Er sei zugegen gewesen, als Oberst Buie, Kommandant des 272. Infanterie-Regimentes einem russischen Offizier eine Medaille überreichte. Regelmäßig alle fünf Jahre haben sich die Veteranen beider Seiten seit 1965 getroffen.
Chester Yastrzemski berichtet von 1995, als man die russischen Veteranen nicht nur an der Elbe, sondern auch im Treptower Park in Berlin und in Moskau traf. Er äußert: „Die sowjetische Armee war 1945 unser Verbündeter. Später, im Kalten Krieg, dachte ich schlecht über die russische Regierung. Aber ich hatte immer einen hohen Respekt vor den russischen Soldaten, die für ihre Heimat gekämpft hatten.“
US-Soldat mit polnischen Wurzeln: „Der Krieg ist die Hölle.“
Der ehemalige Soldat hat polnische Wurzeln. Seine Mutter und sein Vater waren Einwanderer und kamen 1910 in die USA. Chester ist im Dorf Water Mill auf Long Island im Bundesstaat New York groß geworden. Er spricht von einem Kartoffel-Bauernhof, auf dem 85 Hektar bewirtschaftet wurden. Er war Student der Southampton High School, die er 1943 verließ und sich freiwillig zur Armee meldete.
Ob er das heute wieder tun würde? Er sagt: „Ich bin nicht glücklich und verstört über die verschiedenen Probleme, die die Welt verändern.“ Die Haltung mancher Leute in einigen Ländern tue ihm weh. Er glaubt allerdings nicht, dass angesichts von Menschen, die rechte Positionen vertreten, in Deutschland wieder Nazis an die Macht kommen könnten. Und er verweist dabei auch auf US-Einheiten, die in Deutschland stationiert sind.
Er denkt, dass er angesichts des Aufruhrs in der Welt, nicht noch einmal als Freiwilliger dienen würde. Sein Rat an die jüngere Generation: „Der Krieg ist die Hölle und das Hauptziel ist es, in Frieden zu leben.“
US-amerikanischer Veteran meldete sich freiwillig zur Armee: „Du bist 18 Jahre und glaubst, dass du unentbehrlich und auch unverwundbar bist.“
Der Veteran verweist auf eine gute Vorbereitung auf die Kämpfe im Krieg. Als die Alliierten am 6. Juni 1944 in der Normandie landeten, hatte er gerade seine Grundausbildung beendet. Erst im November kam er mit der 69. Division ins englische Southampton. Danach kämpfte er in Frankreich und Belgien. Chester Yastrzemski verweist auf die Ankunft in den Ardennen und die Schlacht im Hürtgenwald. Dann kamen die großen Kämpfe an der deutschen Siegfriedlinie. Für die Teilnahme an den Schlachten im Rheinland und in Mitteldeutschland wurde die Division mit zwei Sternen ausgezeichnet. Für ihn selbst gab es als größte Ehrung die Verleihung einer Kampfmedaille für Infanteristen.
Für Chester Yastrzemski war es angesichts des Weltkrieges eine Selbstverständlichkeit, sich freiwillig zur Armee zu melden. „Du bist 18 Jahre und glaubst, dass du unentbehrlich und auch unverwundbar bist.“ Zu den Toten, die es gegeben hat, sagt er: „Du bist von anderen abhängig. Das schafft eine starke Bindung und Vertrauen. Du denkst natürlich darüber nach, wenn ein Kamerad stirbt. Aber du musst das schnell vergessen, damit du weiter kämpfen kannst.“
Bei verschiedenen Besuchen in Europa habe man immer auch die amerikanischen Militärfriedhöfe in den Niederlanden und Belgien besucht.“ Mindestens zehn Mal war er dort.
Nach dem Ende des Krieges kam Chester Yastrzemski zunächst nach Bremerhaven und dann zur Militärpolizei nach Berlin. 35 Jahre war er danach Polizeibeamter in Southampton auf Long Island. Heute lebt er mit seiner zweiten Frau wieder in dem Dorf, in dem er geboren wurde, hat zwei Enkel, vier Urenkel und vier Ur-Ur-Enkel. Als jüngstes von sechs Geschwistern lebt nur er noch und er ist stolz darauf, dass er 1945 zum Sieg über Nazi-Deutschland beigetragen hat. (mz)
