Überraschung im Urlaub Überraschung im Urlaub: Bei den Rolling Stones auf Kuba

Storkau - Christoph Kühling war gerade aus dem Flugzeug gestiegen, da rief er die Mitteldeutsche Zeitung an. Er wollte unbedingt auch andere an seinen Eindrücken von Kuba, wo er gerade herkam, und vom Rolling-Stones-Konzert in Havanna teilhaben lassen. Sein Kuba-Urlaub hatte gerade begonnen, als er von einem Stones-Konzert erfuhr. Gratis war es, um den Kubanern das Kommen zu ermöglichen. Er buchte seinen Flug um, damit er das erleben konnte. Er war mit den ersten am Sportkomplex, wo die Band auftreten sollte. Nach einer Stunde konnte er bis in die Nähe der Bühne stürmen. Am Ende wartete er bis zum Konzertbeginn sechseinhalb Stunden in brütender Hitze und von Anbeginn eingezwängt zwischen den Rockfans.
Auch als 28-Jähriger ist er von dieser Musikrichtung begeistert. Er war gut zehn Jahre, als er die ersten Platten der Eltern hören durfte, die die „Rolling Stones“ vor knapp 20 Jahren zweimal in Leipzig erleben konnten. Da war das Konzert für ihn nun ein absolutes Muss. Er spricht dann auch von einer einmaligen Atmosphäre. Ursprünglich hatte man mit 400.000 Zuschauern gerechnet, 1,2 Millionen weist die Internetseite der Band aus, wobei über die Hälfte weder die Bühne noch eine der sieben Großbildleinwände gesehen hat, sondern nur die Musik hören konnte. Für Kühling war es ein historisches Ereignis und Beginn einer neuen Ära.
Ansonsten habe ihn Kuba beeindruckt und an die Erzählungen seiner Eltern über die DDR-Zeit erinnert, die er bewusst nicht miterlebt hat. Da waren zum Beispiel die Tabakfelder von Viñales. Auch daheim habe man Tabak angebaut, aufgefädelt und zum Trocknen überall dort aufgehängt, wo er nicht nass werden konnte.
Er war in Santa Clara und Cienfuegos, wo ein Zementwerk aus der DDR steht. Dort sei er in gutem Deutsch von einem Einheimischen angesprochen worden, der in Karsdorf gearbeitet hatte und auch hiesige Weinfeste kennt. Da war die Überraschung groß und Christoph Kühling will versuchen, ihm ein paar Weinflaschen zu schicken. An die DDR erinnerten ihn auf Kuba auch zahllose Mopeds, Kutschen und ständig überfüllte Busse auf den Straßen. Gut hat es mit der Verständigung geklappt, weil er seit einem Brasilien-Aufenthalt Portugiesisch spricht und es zum Spanisch auf Kuba kein so großer Unterschied ist.
Eines der sichersten Länder
Der Storkauer hält Kuba für eines der sichersten Länder der Welt. Ob die von vielen erwarteten politischen Umwälzungen etwas bringen? Er sagt: „Ich habe Herbin, einen Studenten der Zahnmedizin, kennengelernt, der Verwandte in den USA hat und dort ein Vielfaches von dem verdienen könnte, was er auf Kuba erhält. Andere werden kaum eine Chance haben.“
Der Elektroingenieur in der Total-Raffinerie Leuna hatte im Zuge seines Masterstudiums zwei Semester im schottischen Glasgow studiert, hatte in Englisch Vorlesungen und musste Hausarbeiten schreiben. Obwohl ihm Fremdsprachen nie so gelegen hatten, nahm er diese Hürde mit Bravour. Später war er im Rahmen seines Bachelorstudiums zu einem Praktikum in Freiberg und arbeitete dann für die dortige Firma in Sachen erneuerbare Energien im brasilianischen Porto Alegre. Dort sehe man alles viel lockerer. Sei man verabredet, sei Pünktlichkeit eine Beleidigung.
Als er zurückkam, brauchte er lange, um in Deutschland wieder warm zu werden. Neben anderen Reisezielen, die ihn reizen, wollte er unbedingt nach Kuba. Und zwar jetzt, weil er damit rechnet, dass mit der Annäherung an die USA und der einsetzenden Umwandlung das Land bald nicht mehr das sein wird, das es jetzt noch mitsamt seinen über 50 Jahre alten Oldtimer und dem altstädtischen Charme der Hauptstadt Havanna ist. (mz)