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Hilferuf oder Politikum? Teuchern: Hilferuf oder Politikum? - Ärzte müssen sich wegen Aushang zu Flüchtlingen erklären

Von Alexander Kempf 12.05.2019, 10:00
Der Aushang
Der Aushang MZ

Teuchern - Diese Überschrift hat Sprengkraft. „Ärzte weisen fremdsprachige Patienten zurück“, titelt die Magdeburger Volksstimme in ihrer Freitagsausgabe über das Facharztzentrum in Teuchern. Dort ärgert sich dessen technischer Leiter über die aus seiner Sicht falsche Behauptung. „Es gibt nicht einen Patienten, den wir nicht behandelt haben“, so Daniel Frommann. Auch seien die Mitarbeiter der Einrichtung nicht ausländerfeindlich.

Doch warum ist das Facharztzentrum dann in die Schlagzeilen geraten? Ein mittlerweile entfernter Aushang im Wartezimmer, der gerade im Internet kursiert, steht im Zentrum der Kritik.

Darauf wird von den Mitarbeitern erklärt, dass es dem Facharztzentrum nicht mehr möglich sei, „Patienten ohne jegliche Deutschkenntnisse oder ohne Begleitung eines Dolmetschers zu behandeln.“ Laut Daniel Frommann hat es in den vergangenen drei Jahren wiederholt Verständigungsschwierigkeiten mit ausländischen Patienten gegeben.

Müssen andere Patienten in Teuchern stundenlange Wartezeiten hinnehmen?

Darum entschied sich das Team für den umstrittenen Aushang. Dort heißt es, dem Personal fehle die Zeit, sich „stundenlang mit einem Patienten unklarer Herkunft und unbekannter Sprache unzureichend bis gar nicht zu verständigen“. Leidtragende seien andere Patienten, die unzumutbare Wartezeiten hinnehmen müssten oder gar nicht behandelt werden könnten. „Unser Auftrag“, heißt es auf dem Aushang, „liegt in der Versorgung der Kassenpatienten unseres Landes.“

Es sind Zeilen wie diese, für die es nun von vielen Seiten Kritik hagelt. Etwa von der Ärztekammer Sachsen-Anhalt oder der Krankenkasse Barmer. Auch der Landrat des Burgenlandkreises übt scharfe Kritik. „Das Vorgehen der Praxis zeigt, dass es ihr nicht darum geht, ein Problem zu lösen, sondern eine möglichst große Aufmerksamkeit zu erzeugen“, sagt Götz Ulrich (CDU). Viele Arztpraxen in der Region hätten sich seit der Flüchtlingskrise vorbildlich in die Behandlung von Geflüchteten eingebracht. Die Praxis in Teuchern hätte bisher nicht dazu gezählt.

Das Facharztzentrum in Teuchern hatte den Landrat zuvor selbst in besagtem Aushang angegriffen. Götz Ulrichs Empfehlung, Patienten und Ärzte sollten via Internet oder Handbüchern kommunizieren, sei „keine geeignete Maßnahme für eine ordentliche medizinische Behandlung.“ Auch hieß es in dem Aushang, der seit 2016 dort hing, der Landkreis würde keine Kosten für Dolmetscher mehr übernehmen.

Aus Sicht des Landrats sind aber auch die ausländischen Patienten gefragt

Das sei aber schlicht falsch, kontert der Landrat. „Allein für die Bereitstellung von Dolmetschern zur ambulanten fachärztlichen Behandlung gab der Burgenlandkreis im Jahr 2017 insgesamt 23.513 Euro aus. 2018 waren es 23.168 Euro“, so Götz Ulrich. Allerdings werde seit 2017 nicht mehr jeder Ausländer, der nicht Deutsch spricht, automatisch von einem Dolmetscher begleitet. Das sei angesichts von rund 10.000 Ausländern, die im Burgenlandkreis leben, finanziell auch nicht zu leisten.

Aus Sicht des Landrats sind aber auch die ausländischen Patienten gefragt, Eigeninitiative zu zeigen. Familienmitglieder könnten beispielsweise beim Übersetzen helfen, regt Götz Ulrich an. Der Kreis übernehme heute nur in Ausnahmefällen die Kosten für einen professionellen Dolmetscher. Aufgrund dieser Faktenlage wirft er dem Facharztzentrum Teuchern politische Stimmungsmache vor. So sei der Aushang im Wartezimmer allein an die deutschen Patienten gerichtet.

Burgenlandkreis zahlt für Dolmetscher

Das Schreiben, welches landesweit Wellen schlug, ist zwar mittlerweile aus dem Warteraum verschwunden. An der Landkreis-Kritik aber hält man in Teuchern fest. Daniel Frommann versteht den Aushang als Hilferuf. Das Facharztzentrum ist auf Pneumologie spezialisiert, also jenes Teilgebiet der Medizin, das sich mit Lungenkrankheiten beschäftigt.

Angesichts möglicher Tuberkulose-Erkrankungen von Geflüchteten, warnt er vor nicht zu unterschätzenden Gefahren. „Das ist hoch ansteckend. Wenn der Patient vor mir steht und ich verstehe ihn nicht, habe ich ein hohes Risiko“, so der technische Leiter.

Zuvor hatte schon Mediziner Volker Schlegel vom Facharztzentrum auf MZ-Nachfrage erklärt, Menschen ohne jede Sprachkenntnis nur mit Dolmetscher behandeln zu können. Alles andere sei aus seiner Sicht unverantwortlich. (mz)