Starke Frauen Starke Frauen: Veronika Joachim aus Weißenfels boxt sich durch

Weißenfels - Veronika Joachim wuchs in einer kinderreichen Familie auf - sie musste sich gegen fünf Geschwister durchsetzen. In Zeitz rings um den Forstplatz oder auch dem Mühlgraben tobte sie herum, genoss sie eine unbeschwerte Kindheit. Vielleicht hat ihr das Durchboxen letzten Endes später im Leben geholfen. Egal. Zu dem Zeitpunkt konnte sie nicht erahnen, was auf sie noch zukommen sollte.
Nach der 10. Klasse hatte sie erst einmal Pech: Ihren Wunschberuf, Maschinenbauzeichnerin, konnte sie nicht erlernen. Lediglich ein einziger Ausbildungsplatz habe zur Verfügung gestanden. „Ich war nicht schlecht in der Schule, aber die schulischen Leistungen haben eben nicht gereicht.“ Also wurde es der Kellnerberuf, den sie erlernte und ausübte.
Keine einfache Zeit
Berufliche Sicherheit gab es in jenen Jahren, einen Krippenplatz hingegen nicht. Es sei schwierig gewesen, an eine Wohnung zu kommen oder an einen Platz für ihre Tochter Anett. Den bekamen sie und ihr Mann schließlich 1978, zwei Jahre später zog die Familie nach Weißenfels, ihr Mann erhielt eine Anstellung bei der Autobahnpolizei.
„Gesundheitlich war ich schon damals ein bisschen angeschlagen “, sagt die heute 58-Jährige, die damals kurzerhand beruflich umsattelte und fortan Büroarbeiten erledigte - mal bei einer zwischenbetrieblichen Einrichtung der Geflügelwirtschaft, mal in einer Verkaufseinrichtung in Rössuln. In den 1980er Jahren erblickte Tochter Susann das Licht der Welt. In der Stadt an der Saale ging es bergauf - familiär, beruflich. Wohnung, Krippenplatz, Arbeit. Alles lief nach Plan.
Nicht ganz. 2009 starb ihre Schwester mit 54 Jahren an Krebs. Ein Schock. „Klar macht man sich Gedanken, ob einen das selbst treffen könnte.“ Ein Jahr zuvor sei sie zur Untersuchung gewesen, alles paletti, die Welt war gesundheitlich gesehen in Ordnung. Zwei Jahre später sollte erneut eine Untersuchung über die Bühne gehen. Das war im August 2010.
Seelische Betreuung erfolgte
Ihre Tochter sei zu Besuch gewesen, eine Radpartie stand an, das Screening, zudem sie eigentlich wollte, schien nicht so wichtig. Sie hatte es doch schwarz auf weiß, dass alles in Ordnung sei. „An dem Tag war es sehr heiß, unsere Tochter hatte plötzlich keine Lust zum Radfahren“, erinnert sich die Weißenfelserin. Na dann könne sie ja auch zur Untersuchung gehen, habe sie noch gedacht. Gesagt, getan. „Es ist ein Glück, dass ich hingegangen bin.“
Es sollte das berühmte Glück im Unglück werden - die Diagnose lautete Krebs. Und sie hatte noch ein bisschen Glück: Der Krebsherd sei noch sehr klein gewesen. Es folgte, wie üblich bei dieser Krankheit, Chemotherapie in Weißenfels und gut 35 Bestrahlungen in Halle. 2011 hatte Veronika Joachim alles überstanden. Ohne Blessuren. Auch die Kuren, die sie dreimal in Anspruch nehmen durfte, taten ihr gut.
Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihr - 2013 wieder Krebs, diesmal an einer ganz anderen Stelle im Körper. Sie habe seelische Betreuung in Anspruch genommen, um über die Runden zu kommen. Das kam sie auch. Veronika Joachim hat zweimal den Krebs besiegt. Mit den Folgen hat sie dennoch zu kämpfen. „Ich lasse mich aber nicht unterkriegen, ich habe gekämpft und das tue ich weiterhin“, sagt sie. Immer wieder habe sie sich Mut zugesprochen: „Du musst den zweiten Geburtstag vom Enkel erleben.“
Einschulung miterleben
Und später: „Du musst die Einschulung miterleben.“ Aufgeben sei nicht in Frage gekommen. „Es ist wichtig, wenn man in so einer Situation auf eine Freundschaft zurückgreifen kann“, erklärt sie. Positiv denken, sei auch wichtig. Ebenso wie der Reha-Sport, der zweimal in der Woche anstehe. Gymnastik und Schwimmen. „Wir sind eine ganz dufte Truppe, haben viel Spaß, wir lachen unheimlich viel“, erzählt sie. Genau das tue gut. Und ganz sicher habe ihr geholfen, dass sie sich als Kind eben durchboxen musste.
Vielleicht sei ihr das zu Hilfe gekommen. „Sicher“, sie nickt und kommt zugleich auf ihre Tochter Anett zu sprechen. Ihr wolle sie künftig noch stärker zur Seite stehen, denn sie habe es als alleinstehende Mutter nicht einfach, eine Umschulung stehe an. Genügend Zeit für ihre anderen Hobbys bleibe da schon noch - Lesen, Stricken und Radfahren. „Und den Enkel betreuen“, lacht sie. (mz)