Tochter des letzten Weißenfelser Rabiners Simon-Rau-Zentrum : Tochter des letzten Rabiners kehrt nach Weißenfels zurück

Weißenfels - „Es war hart, nach Deutschland zu kommen.“ Das sagt Laura Hofing auf die Frage, wie schwer es für sie sei, das Land der Täter zu besuchen, die Millionen jüdischer Menschen ermordet haben. Die 80-Jährige aus den USA besuchte mit ihrer Familie am gestrigen Mittwoch das Weißenfelser Simon-Rau-Zentrum, die Wohnung in der Merseburger Straße, in der sie die ersten drei Lebensjahre verbracht hat und das, was von der ehemaligen Synagoge geblieben ist. Sie wurde in der Pogromnacht am 9./10. November 1938 zerstört und soll laut dem Vereinsvorsitzenden des Simon-Rau-Zentrums, Enrico Kabisch, irgendwann saniert werden.
Ja, es sei schwer zurückzukehren, meint die Frau, aber es sei eine lange Zeit vergangen und das Leben gehe weiter. Bei ihrem ersten Deutschland-Besuch vor Jahren, als sie nicht nach Weißenfels kam, sei sie froh gewesen, nichts mehr von den Kriegsschäden sehen zu müssen, erzählt sie.
Laura Hofing ist die Tochter des letzten jüdischen Weißenfelser Kantors und Seelsorgers Simon Rau. Sie wurde wie ihr Bruder Eric an der Saale geboren. Am Mittwoch konnte sie nun auch das Haus besuchen, in dem sie bis zur Flucht in die USA Ende 1939 mit der Familie gelebt hat. Julia Eichardt führte sie durch das Haus. Am Geländer dürfte sich Laura Hofing einst schon beim Treppensteigen festgehalten haben. Persönliche Erinnerungen hat sie aber nicht mehr, doch Bilder vom Haus sind im Familienbesitz.
Aus Schulaufsatz vom Holocaust erfahren
Wann sie vom Holocaust erfahren hat? Aus einem Aufsatz ihres Bruders, der sieben Jahre älter war als sie und alles bewusst miterlebt hatte. Seine Erlebnisse in Deutschland schrieb er auf und bekam in der Schule eine 1+. Auch ihr Sohn Mitchell erzählt, dass er erst spät vom Massenmord an den Juden erfahren habe. Dabei war er schon zehn Jahre alt, als sein Großvater und 20, als die Großmutter starb. Heute sei es anders, wie seine Söhne Benjamin und Joshua bestätigten. Sie sind auf eine jüdische Schule gegangen und wurden bereits als Grundschüler mit der furchtbaren Wahrheit konfrontiert. Der Massenmord wird auch im jüdischen Museum in Berlin in einem dunklen und hohen Raum förmlich greifbar.
60 Juden in Weißenfels ermordet
Im Simon-Rau-Zentrum hingegen gehe es darüber hinaus um die Geschichte seiner Familie. Er sei einerseits glücklich darüber, dass sie damals davongekommen ist und andererseits schockiert über 60 tote Juden, die Nazis allein in Weißenfels auf dem Gewissen haben. Nach einem ersten Gespräch nach der Ankunft schaut sich Mitchell Hofing eine Geschichtstafel im Flur an. Kurz nach der Einweihung 2010 ist sie schon zerstört worden. Was dem Mann sofort ins Auge fällt, ist ein Foto und er sagt auf Englisch: „Das sind doch meine Großeltern.“ Um anschließend in gutem Deutsch den Jüngeren zu übersetzen, dass in Weißenfels jüdische Menschen bereits um 1450 lebten.
Neben Schächtemessern für das rituelle Schlachten sind in der Ausstellung die Griffe einer Thorarolle zu sehen, die Simon Rau retten und mit nach Amerika nehmen konnte. Sie lassen etwas lebendig werden, was laut Enrico Kabisch für Jugendliche schwer fassbar ist. Nämlich die Zahl von sechs Millionen ermordeter Juden. Er nehme dann immer vier dicke Bücher, die eng beschrieben das Gros der Namen enthalten. Laura Hofing sagt deshalb, dass man bei einem Anruf 2008 nicht lange habe überlegen müssen, um dem Vereinsnamen Simon-Rau-Zentrum zuzustimmen. Hier hätten die Schächtemesser, die sich im Weißenfelser Museumsdepot befanden, und die Thorarollengriffe einen würdigen Platz gefunden. (mz)
