Schulprojekt in Hohenmölsen Schulprojekt in Hohenmölsen: Wenn der Papst zum Chef wird

Hohenmölsen - Leben ohne Handy, Computer und Fernseher - die Frage ist nicht, ob das machbar, sondern ob das für Kinder überhaupt vorstellbar ist. Gestern konnten weit über 200 Mädchen und Jungen der zweiten bis vierten Klassen beider Grundschulen der Einheitsgemeinde Hohenmölsen reinschnuppern in eine Zeit, wo es rustikal und gänzlich technikunbeschwert zuging. Hinein also ins Mittelalter. Der Verein Drei Türme der Stadt organisiert es mit Unterstützung vieler freiwilliger Helfer seit einigen Jahren zum Herbstmarkt und lässt Kinder und Jugendliche in die Geschichte eintauchen.
„Früher haben wir zum Herbstmarkt schulfrei bekommen und sind durch die Innenstadt geschlendert“, erinnert sich Bürgermeister Andy Haugk (parteilos). Dies zum einen. Zum anderen sei die Historie um Hohenmölsen, insbesondere die Schlacht bei Milzin 1080, um die sich beim Herbstmarkt viel dreht, aus den Geschichtsbüchern verschwunden. „Das hier ist doch Bildung pur und nachhaltig, denn ich bin mir sicher, dass die Kinder auch morgen noch von diesem Projekt erzählen“, ist sich der erste Mann im Rathaus sicher.
Eine der 20 Stationen ist erstmals die Kirche. Hier erwartet die ordinierte Gemeindepädagogin Friederike Rohr die neugierigen Kinder. Sie hat die Kerzen angezündet, verschiedene Gewänder aufgehängt und die Bibel in greifbarer Nähe. „Auch wenn die Kinder und ihre Elternhäuser vielleicht nicht in der Kirche sind, betrachte ich es als Allgemeinwissen, darüber Bescheid zu wissen, was sich in Gotteshäusern abspielt“, sagt sie und will dies den Mädchen und Jungen kindgerecht vermitteln. Und schon geht es los. Werden Babys bei der Taufe richtig untergetaucht? Warum hat ein Mönch so einen ollen Kittel und der Bischof solch ein prächtiges Gewand? Was für eine Schrift ist das in der Bibel? Die Drittklässler aus der Grundschule Hohenmölsen wollen ganz viel wissen - Friederike Rohr erklärt selbst schwierige Sachverhalte. Zum Beispiel die Funktion des Bischofes. „Der ist der Chef von den Mönchen und konnte ihnen viele schlaue Antworten geben. Der Chef vom Bischof wiederum ist der Papst. Der war wie ein König.“ Ja, mit einem König können die Schüler dann schon mehr anfangen. „Wir sind sehr gern bei diesem Projekt dabei. Die Atmosphäre unter freiem Himmel ist anders als im Klassenzimmer“, schildert die Klassenlehrerin. Sie ist sich sicher, dass dieser etwas andere Unterrichtstag noch lange nachwirkt - mindestens bis Montag, wo alle Schüler ihr Erlebtes noch einmal schildern wollen. Das ist auch von Silke Naumann zu hören, Klassenlehrerin einer vierten Klasse. „Die Kinder waren schon im Vorfeld sehr aufgeregt. Ich finde, das Projekt ist eine herrliche Ergänzung zum Sachkundeunterricht in der vierten Klasse, wo wir uns mit dem Leben auf der Wiese und mit Heilkräutern beschäftigen.“ Zudem, so sagt sie etwas leiser, hole sie sich Anregungen für die Abschlussfahrt der Viertklässler am Ende der Grundschule.
Während diese Gruppe zur nächsten Station zieht, erproben sich Kinder beim Stelzenlauf und schlüpfen in königliche Gewänder. Wie der neunjährige Jason Thomas. Stolz sitzt er auf einem Thron und stellt König Rudolf dar. „Naja, König sein ist schön, aber dass dem hier die Hand abgehackt worden ist, finde ich schon blöd“, ist sein kurzer Kommentar zur Geschichte. Jette Renner und Erik Hirschfeld, beide neun Jahre, sind indes damit beschäftigt, Kräutersalz herzustellen. „Mittelalter ist gar nicht so schlecht. Da gab es ja nicht nur Arme und Reiche. Ich finde, die Kinder hatten auch schönes Holzspielzeug“, spielt das Mädchen auf das Karussell, die Holzschwerter und den einfachen Schmuck an. Und schon reiht sie sich fröhlich in einen Schreittanz ein, den sie noch nie geprobt hat. (mz)