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Rettungsdienst Burgenland insolvent Rettungsdienst Burgenland insolvent: Drohen DRK-Mitarbeitern längere Arbeitszeiten?

Von Alexander Kempf 07.09.2017, 08:43
Sachwalter Nico Kämpfert (links) will mit den Geschäftsführern Eveline Simon und Steffen Lorenz das Unternehmen wieder auf Kurs bringen.
Sachwalter Nico Kämpfert (links) will mit den Geschäftsführern Eveline Simon und Steffen Lorenz das Unternehmen wieder auf Kurs bringen. Peter Lisker

Weißenfels - Da die Rettungsdienst Burgenland gGmbH ihren 134 Mitarbeitern möglicherweise bis zu 1,2 Millionen Euro für aufgelaufene Überstunden nachzahlen muss, hat das Unternehmen am Dienstag vorsorglich Insolvenz angemeldet. In Weißenfels und Umgebung sorgt die Nachricht für reichlich Diskussionen. „Traurig“, schreibt etwa Benjamin Föhlisch via Facebook,  „mal sehen, wer den Leuten hilft, die da keinen Lohn zahlen“.

Für die Klage einzelner Rettungskräfte äußert mancher Verständnis.  „Rettungsdienste sollten staatlich sein, wie kann man die Rettung von Menschen von Geld abhängig machen? Was ist das für ein Staat, der Rettungsdienste GmbHs  zu Vereinen macht wie einen Karnickelzüchterverein?“, fragt etwa Jutta Hoppe ebenfalls auf Facebook.

Insolventer Rettungsdienst Burgenlandkreis: Warum Mitarbeiter klagen

Beim Konflikt, der zur Insolvenz des Rettungsdienstes geführt hat, dreht sich alles um die Bezahlung der Überstunden. Der Arbeitgeber geht offenbar davon aus, dass acht Überstunden pro Woche mit dem Gehalt abgegolten sind. Die klagenden Mitarbeiter pochen indes  auf 40 Stunden Arbeitszeit pro Woche.

Das zuständige Arbeitsgericht hat bei der Verhandlung in Naumburg ihre Sichtweise bestätigt und damit den Arbeitgeber in Bedrängnis gebracht.

Die Konsequenz ist das laufende Insolvenzverfahren. Dabei hat sich der Arbeitgeber vor wenigen Monaten noch zuversichtlich gezeigt, dass die Forderungen der Mitarbeiter ins Leere laufen.

Rettungsdienst Burgenlandkreis bezahlte Überstunden nicht: Lassen sich Mitarbeiter auf Vergleich ein?

Auch Diplom-Wirtschaftsjurist Nico Kämpfert, der der Geschäftsführung als Sachverwalter zur Seite gestellt worden ist, hält die Auslegung des Arbeitgebers weiterhin für vertretbar.  „Die Gerichte sind in der Frage auch unterschiedlicher Meinung“, sagt er und will nun auf die Belegschaft in Weißenfels und Naumburg zugehen.

„Wir werden versuchen, die Mitarbeiter zu einem Gesamtvergleich zu motivieren“, sagt er. Die Zustimmung aller sei dabei nicht nötig. Entscheidend ist, ob die Mehrheit der 134 Mitarbeiter die Einigung will.

Rettungsdienst Burgenlandkreis: Müssen Mitarbeiter bald mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten?

Eines scheint angesichts der Insolvenz aber schon jetzt klar. Irgendjemand wird zumindest auf einen Teil seiner Forderungen verzichten müssen. Und auch die Zukunft des Unternehmens skizziert Nico Kämpfert. Einen neuen Haustarifvertrag habe das Unternehmen bereits geschlossen. „Damit kann die Wochenarbeitszeit über die 40 Stunden hinaus ausgedehnt werden.“

Im Gespräch mit der Belegschaft will er in den vergangenen Tagen eine Unsicherheit gespürt haben. „Die Mitarbeiter sind aber gewillt, an einer neuer Lösung mitzuwirken“, sagt der Sachverwalter. Er bekräftigt auch erneut, dass die Insolvenz keinerlei Auswirkung auf den  Geschäftsbetrieb der gemeinnützigen Rettungsdienst Burgenland GmbH hat. „Die Bürger müssen keine Einschränkungen beim Rettungsdienst und den Krankentransporten fürchten“, sagt Nico Kämpfert.

Das Entgelt der Mitarbeiter werde in den kommenden drei Monaten durch Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit finanziert.

Rettungsdienst Burgenlandkreis: Was denken die Mitarbeiter über die Insolvenz?

Fraglich ist nun, inwieweit die Belegschaft auf das Angebot des Arbeitgebers eingehen wird. Betriebsrat Marcus Winkler ist für die Mitteldeutsche Zeitung am Mittwoch bis zum Redaktionsschluss nicht erreichbar gewesen. Ein Mitarbeiter hatte bereits am Dienstag anonym geäußert, dass die Meinungen über die Insolvenz intern durchaus auseinandergehen. Die Dienstleistungsgesellschaft Verdi stellt indes klar, dass eine Woche mit 48 Arbeitsstunden für sie keine Option sei. „Das gibt es bei uns nicht“, sagt der zuständige Fachbereichsleiter Bernd Becker deutlich.

Jedoch kann es sein, dass bei den Rettungsdiensten auch viele Stunden Arbeitsbereitschaft anfallen. Die Mitarbeiter haben dann Bereitschaft,  fahren aber keine Einsätze. „Wenn ein Großteil der Arbeitszeit nur aus Warten besteht, dann darf diese auch ausgedehnt werden“, sagt Bernd Becker. Es könne aber nicht sein, so der Gewerkschafter, dass Unternehmen diese Regelung für sich  ausnutzen und das Personal für volle 48 Stunden  einplanen. Langfristig wolle Verdi daher auch von diesen Ausdehnungsmodellen weg.

Längere Arbeitszeiten bei Rettungdsdienst Burgenlandkreis: Sind Arbeitszeitkonten die Lösung?

Doch wie sollen dann die teils zwölf Stunden langen Schichten abgedeckt werden? Eine Lösung könnten Arbeitszeitkonten sein, regt Bernd Becker an. „Da muss man aber mit den Kollegen reden“, sagt er.  In Weißenfels aber ist die Personaldecke in der Vergangenheit offenbar angespannt gewesen. So wurden an mehreren Tagen zwischen  November 2016 und Februar 2017 Fahrzeuge abgemeldet. Das Unternehmen begründete das damals mit einem hohen Krankenstand infolge einer Grippewelle.

Die Rettungsdienst Burgenland gGmbH ist eine Tochtergesellschaft der beiden DRK-Kreisverbände Weißenfels und Naumburg/Nebra. Das Unternehmen wurde 2006 gegründet und übernimmt seit 2007 im Auftrag des Burgenlandkreises die Aufgaben des Rettungsdienstes. Dazu betreibt sie in Weißenfels-Borau sowie Am Hohen Stein und in der Jägerstraße in Naumburg Rettungswachen. Zusätzlich ist sie im Burgenlandkreis für den Krankentransport unterwegs. In Weißenfels haben mehrere Mitarbeiter auf der Auszahlung ihrer Überstunden bestanden. (mz)