1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Prozess am Landgericht Leipzig: Prozess am Landgericht Leipzig: Weißenfelserin fast von "Joker" erstochen

Prozess am Landgericht Leipzig Prozess am Landgericht Leipzig: Weißenfelserin fast von "Joker" erstochen

Von Andrea Hamann-Richter 21.05.2016, 06:00
Die Mutter Susanne liest täglich die Berichte, die über den Prozess veröffentlicht werden. Sie bewahrt sie alle auf.
Die Mutter Susanne liest täglich die Berichte, die über den Prozess veröffentlicht werden. Sie bewahrt sie alle auf. Peter Lisker

Weissenfels/Leipzig - Schlimme Erlebnisse werden seit wenigen Tagen aufgewühlt. Es hat der Prozess gegen Norman E. begonnen. Ihm wird vorgeworfen, im vergangenen Jahr versucht zu haben, die heute 15-Jährige Tracy aus Weißenfels zu ermorden. So jedenfalls lautet die Anklage, die das Leipziger Landgericht gegen den 25-jährigen Leipziger erhoben hat.

Opfer übernachtet in der Wohnung des Täters

Zwei Verhandlungstage haben Tracy und ihre Mutter Susanne in dieser Woche überstanden. Die 33-Jährige wich ihrer Tochter im Gerichtssaal nicht von der Seite. Bewundernd beobachtete sie, wie Tracy im Angesicht von Norman E. schilderte, was sich in der Nacht zum 24. September ereignet hatte. Die Mutter blickt zurück. Ihre Tochter ist mit ihrem Bekannten Philipp in Leipzig unterwegs. Da treffen die beiden auf Phillips Kumpel - Norman E. Dieser lädt die beiden zu sich nach Hause ein. Das Trio kocht Nudeln mit Tomatensoße. Später legen sich Philipp und Tracy im Wohnzimmer von Norman E. schlafen. Philipp (19) ist zu dieser Zeit obdachlos, Tracy von zu Hause ausgebüxt. Norman E. wirkt harmlos, freundlich. Die beiden nehmen das Angebot gern an.

Mit Quark im Gesicht sticht Norman E. zu

„Er hat ihnen gesagt, sie sollen es sich bequem machen, er müsse noch einmal schnell ins Bad“, erzählt Susanne. Ihre Tochter habe noch gesehen, dass Norman E. eine Quarkpackung mitnahm. Dann beginnt der Horror. Norman E. schmiert sich den Quark ins Gesicht und verwandelt sich in den „Joker“ - das personifizierte Böse aus dem Batman-Film. Er kommt aus dem Bad und sticht mit einem großen Messer auf die Teenager ein.

Was weiter passiert ist, kann nur vermutet werden. Lebensgefährlich verletzt, schaffen sie es irgendwie, aus der Wohnung zu entkommen. Damit sind sie aber noch nicht in Sicherheit. Zumindest Tracy nicht, erzählt ihre Mutter. „Joker“ habe sie verfolgt. Erst als ihre Tochter, mit Schnitten am Kopf, an Fingern und im Rücken knapp an der Lunge vorbei, um Hilfe schreit, hört Norman E. auf, sie zu verfolgen. Philipp wird nahe der Wohnung gefunden. Er ist durch die Stiche lebensgefährlich nahe der Niere, des Herzens und der Lunge verletzt. Beide können durch Notoperationen gerettet werden. Sie leiden noch heute an den Folgen.

Keine Rachegefühle oder Hass

Die Wunde auf Tracys Kopf ist noch nicht ganz verheilt, ein Finger wird wahrscheinlich gekrümmt bleiben. Umso erstaunlicher ist es, was Mutter Susanne über den Täter sagt. „Ich empfinde keine Rachsucht und keinen Hass“. Das liegt wahrscheinlich auch an den Beschreibungen von Katrin E. Die Frau erzählte vor Gericht, wie sie Norman im Alter von zwei Monaten adoptierte. Seine Mutter schilderte weiter, dass Norman von der Grundschule flog. Er ließ sich nicht integrieren, neigte zur Gewalt. Norman E. hatte kaum richtige Freunde, dafür aber einen unsichtbaren Begleiter. Später habe er ein Gesicht bekommen - „Joker“. Weil es ihm damit gut ging, kauften seine Eltern sogar ein Kostüm des Filmbösewichts. Damit überraschte er auch einmal seine Mutter - sie kam in ihre Wohnung, wo „Joker“ sie mit einem Messer in der Hand erwartete. „Es war nicht leicht mit ihm, aber er hat ein gutes Herz“, setzte sie sich dennoch für ihn ein. Nach Jahren der Therapie schien er stabil zu sein. Bis das Böse wieder siegte.

Prozess wird fortgesetzt

Obwohl Norman E. fast zum Mörder ihrer Tochter wurde, hat Tracys Mutter Mitleid. „Mein Leben ist schön, auch wenn das passiert ist“, sagt sie. „Sein Leben war nie schön“, fügt die zierliche Frau nachdenklich an.

Nachdem Tracy ihre Aussage beendet hatte, richtete Norman E. ein Wort an sie. Es lautete: „Entschuldigung.“ Da bracht das Mädchen, das sich bis dahin so gut gehalten hatte, in Tränen aus.

Am Montag wird am Landgericht in Leipzig der Prozess fortgesetzt. Es kommen unter anderem die behandelnden Ärzte der Opfer zu Wort. Weitere Verhandlungstermine werden folgen, bis das Urteil gesprochen wird. Bis dahin sitzt Norman E. weiter in Untersuchungshaft. (mz)