1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Pils nach alter Rezeptur: Pils nach alter Rezeptur: Sächsische Brauerei zaubert Weißenfelser Geschmack in Fässer

Pils nach alter Rezeptur Pils nach alter Rezeptur: Sächsische Brauerei zaubert Weißenfelser Geschmack in Fässer

Von Holger Zimmer 29.07.2018, 07:00
Rüdiger Fauß mit einer Wagenladung Weißenfelser Stadtbier, das in Sachsen gebraut wird.
Rüdiger Fauß mit einer Wagenladung Weißenfelser Stadtbier, das in Sachsen gebraut wird. Marco Junghans

Weißenfels - Jeden Monat holen Rüdiger Fauß und sein Sohn Sören Fauß Fassbier aus Einsiedel bei Chemnitz. Stadtbräu steht auf den Fässern und gebraut wird nach alter Weißenfelser Rezeptur. Auf diese unkomplizierte Weise will die Familie eine Tradition am Leben halten, die an der Saale nachweislich auf das Jahr 1539 zurückgeht. Dabei fungiert Ehefrau Karin Fauß als Geschäftsinhaberin.

„Es ist eine kleine Firma“, wie ihr Mann Rüdiger betont. Das Bier wird aus Sachsen „importiert“ und soll daran erinnern, dass auch in Weißenfels bis zur Jahrtausendwende gebraut wurde. Eine Tradition, die mit den Namen Oettler und Gürth verbunden ist.

Warum das Bier gerade aus Einsiedel kommt?

Warum das Bier gerade aus Einsiedel kommt? „Dorthin gibt es seit Anfang der 1990er Jahre Verbindungen“, sagt der Senior. Damals habe man für die Sachsen Landbier gebraut, das dem Weißenfelser Export ähnlich war und auf diese Weise der dortigen Brauerei in einer Sanierungsphase geholfen. Fauß war kurz vor der Wende Betriebsleiter der Volkseigenen Brauerei Weißenfels geworden.

Zuvor war er Chef in der damaligen „Rakete“-Schuhfabrik, „aber wegen meines Chemiestudiums war mir das Brauen viel näher“. Denn auch dabei spielten biochemische Prozesse eine Rolle. Und schlecht seien die Biere nie gewesen, habe man schon immer Hopfen und Malz verwendet. Nur so lange haltbar wie die Biere für den Export waren sie seinerzeit freilich nicht. Das sogenannte Helle hatte laut Standard eine Mindesthaltbarkeit von acht und das Pilsener von zehn Tagen, vorausgesetzt, dass sie dunkel und kühl gelagert worden sind, heißt es 1985 in einer Broschüre zum 800. Stadtjubiläum.

Bis 2001 wurde in Weißenfels Bier gebraut

1992 wurde der Betrieb rückübertragen und ein Jahr später übernahm ein anderer die Geschäftsleitung, was die Insolvenz nicht verhinderte. „Da haben verschiedene Parteien einer Erbengemeinschaft ihre eigenen Interessen verfolgt“, meint Fauß. Von 1997 bis 2003 waren seine Kenntnisse noch einmal als Vertriebsleiter gefragt. Bis 2001 wurde in Weißenfels gebraut, danach war man nur noch Auslieferer von Getränken anderer Firmen. Es waren Einschnitte in Fauß’ Leben, die vor 25 beziehungsweise 15 Jahren mit Arbeitslosigkeit und Arbeitsbeschaffungsmaßnehmen verbunden waren.

Dass die Weißenfelser Brauerei angesichts der gewaltigen Konkurrenz aus den alten Bundesländern länger durchhalten konnte als andere, hatte mit einer Investition in der Wendezeit zu tun. Da gab es einen sogenannten Konsumgüterbeschluss, durch den 1,5 Millionen sogenannte Valutamark flossen, die in der DDR für den internationalen Zahlungsverkehr üblich waren. Sie wurden in Waschmaschine, Etikettierung und vor allem in eine Filteranlage gesteckt. „Das waren Voraussetzungen dafür, dass überhaupt bis kurz nach der Jahrtausendwende produziert werden konnte.“ Abnehmer waren an der Saale einige Gaststätten, aber auch in den betriebseigenen Restaurants „Nelkenbusch“ und „Kaffeehaus“ wurde ausgeschenkt, die 1996 und 2000 schließen mussten.

Zur 800-Jahr-Feier von Weißenfels 1985 etwas Besonderes hergestellt

Schon damals wurde übrigens zur 800-Jahr-Feier von Weißenfels 1985 etwas Besonderes hergestellt. Drei süffige Biere wurden kreiert, die als Schusterpech, Kopfreißer und Mummestolz sehr begehrt waren. Und das, obwohl sie eine Mark kosteten. Im Vergleich zum Pils waren das je Halbliterflasche 28 Pfennige mehr. Das Bier-Trio erlebte rund ein Jahrzehnt später beim Weißenfelser Schlossfest eine Wiedergeburt. Daneben wird der Odin-Trunk als letzte Kreation Weißenfelser Braukunst heute in der Schlossbrauerei Fürstlich Drehna bei Luckau hergestellt. „Vor allem in den südlichen Bundesländern ist das mit Honig hergestellte Bier sehr gefragt“, sagt Rüdiger Fauß.

Ein- bis zweimal fahren Vater und Sohn im Monat nach Einsiedel. An die 50 Hektoliter werden im Jahr über einen Werkvertrag im Nebenerwerb vertrieben. Teilweise wird das Bier bei Festen oder Vereins- und Familienfeiern als Stadtpils angeboten. Leider haben sich in Gaststätten keine Abnehmer finden lassen. Aber kleine Posten werden auch an jene abgegeben, die unerwartet auf dem Trockenen sitzen. „Uns geht es um die Weiterführung einer kleinen Tradition.“ Und wenn schon nicht an der Saale gebraut wird, soll wenigstens der Name des Bieres an die Braugeschichte erinnern. (mz)