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MZ-Zustellerin Auto gestohlen

Von Birger Zentner 27.04.2013, 18:56
Hier in der Erfurter Straße in Weißenfels ist es passiert: Hella Lindig (links) mit Anwohnerin Ramona Spiegelberg, die ihr in der Nacht Beistand geleistet hat.
Hier in der Erfurter Straße in Weißenfels ist es passiert: Hella Lindig (links) mit Anwohnerin Ramona Spiegelberg, die ihr in der Nacht Beistand geleistet hat. Peter Lisker Lizenz

Weissenfels/MZ - Am Vormittag hatte sich die Aufregung schon wieder etwas gelegt, aber die Nacht zum Freitag wird Hella Lindig so schnell nicht vergessen. Mitten in ihrer Arbeit als Zustellerin ist der 76-Jährigen nahezu Punkt Mitternacht in der Erfurter Straße in Weißenfels ihr Auto gestohlen worden.

„Ich habe gerade Werbung ausgetragen, war eine Minute vom Auto weg, als der Motor plötzlich aufheulte“, erzählt sie. Zuvor habe sie niemanden in der Straße gesehen, plötzlich habe aber ein Mann am Steuer ihres Renault Clio gesessen. Sie habe sich vor das Auto gestellt, der Mann habe auch gestoppt, sie dennoch leicht angefahren. „Ich bin dann rum, habe die Fahrertür aufgerissen, ihn angeschrien und auch ins Lenkrad gegriffen, aber dann hat er Gas gegeben und ich bin gestürzt“, erzählt sie von den nächtlichen Ereignissen.

Der Dieb brauste davon. In dem Haus, vor dem Hella Lindig gerade stand, ging Licht an. Eine Frau hat ihr erst einmal ein Mineralwasser gebracht und die Polizei gerufen. Die hat laut Reviersprecher Jörg Bethmann auch die Ermittlungen aufgenommen. Bislang ist das Fahrzeug jedoch verschwunden.

Dabei hatte der Abend für die 76 Jahre alte Frau, die topfit ist, super begonnen. „Ich war beim Konzert von Roger Whittaker in Halle“, berichtet sie. Nach der Rückkehr habe sie sich gesagt, da kannst du auch schnell noch die Werbung ausfahren, am Freitag hast du ja Urlaub. Aber da war nichts mit Entspannen - Polizei, Versicherung und Arzttermine. Beim Sturz hat sie sich die Schulter verletzt, Schrammen und blaue Flecken davongetragen. „Aber glauben Sie ja nicht, dass ich wegen des Überfalls von meiner Arbeit lassen werde, ich mache weiter“, sagt die Weißenfelserin selbstbewusst.

Sie mache den Job als Zustellerin der Mitteldeutschen Zeitung ja schon seit fast 20 Jahren. „Dass ich heute noch dabei bin, hat einfach damit zu tun, dass mir das Spaß macht, dass ich mich draußen bewegen kann.“ So bleibt sie fit. Mit Not habe das nichts zu tun. „Mich zwingt keiner zu der Arbeit.“

Normalerweise steht sie in der Nacht um 1.50 Uhr auf, geht etwas später zum Ablageplatz für die Mitteldeutsche Zeitung. „Dann sortiere ich noch und mache mich auf den Weg.“ Meist fährt sie ein Stück mit dem Auto, ehe sie ihren Transportkarren nimmt und in ihrem Zustellgebiet die Häuserfronten entlangzieht. „Da komme ich jeden Tag auf einen Fußmarsch von acht Kilometern“, erzählt sie stolz. Manchmal wird es noch mehr, wenn sie die Vertretung zum Beispiel für einen erkrankten Kollegen übernimmt. Dunkelheit und Kälte machen ihr nichts aus. „Auch keine 20 Grad minus, nur wenn es regnet, das finde ich dann nicht so toll“, sagt sie weiter. Viele Jahre hat die gebürtige Reichardtswerbenerin in der Brikettfabrik in Beuna bei Merseburg gearbeitet, ehe sie sich nach der politischen Wende in der DDR 1994 entschlossen hat, als Zeitungszustellerin anzufangen. „Und bis heute mache ich das gern.“

Wie lange sie die Arbeit noch machen will, dass wisse sie nicht, meint sie. Jetzt hofft sie erst einmal, dass sie irgendwo einen Leihwagen bekommt, bis vielleicht ihr dreieinhalb Jahre alter Clio wiedergefunden ist. Bis gestern hatte sie aber noch keinen Erfolg und das eigene Auto blieb auch verschwunden.