Mit Skalpell unter vier Häute
Weißenfels/MZ. - Es sind keine Mäuse, die in den Ecken des Amtsgerichts nagen. Mit einem Skalpell verursacht Susanne Fuchs die ungewöhnlichen Geräusche, die in den Amtsstuben hörbar sind, wenn es dort ganz leise ist. Die junge Restauratorin aus Freyburg hat den Auftrag erhalten, die Farbschichten an den Wänden und Decken in den Fluren zu untersuchen, bevor dort neue Leitungen verlegt werden und renoviert wird. Binnen elf Tagen hat sie sich in drei Geschossen an rund 50 Stellen unter bis zu vier Häute aus Farbe gekratzt.
"Das Haus wird bald 100 Jahre alt und steht unter Denkmalschutz", erklärt Iris Schwedka, Geschäftsleiterin des Amtsgerichts, warum erst einmal die malerischen Befunde gesichert werden. Sie selbst habe aufgeatmet, als Susanne Fuchs helle Farben als die ursprünglichen identifizierte. Denn am Original soll sich die Auswahl des neuen Anstrichs orientieren.
"Vom Erdgeschoss bis ins zweite Geschoss gab es die gleichen Farben", stellt die Restauratorin fest. Die farblichen Absetzungen, die sich heute zeigten, seien erst jüngeren Ursprungs. "Jede Generation hat hier eine Farbschicht hinterlassen und alle waren hell", sagt die 31-Jährige. Die ursprüngliche sei vor allem ockerfarben gewesen, im Sockelbereich in den langen Fluren hellblau. Aus späterer Zeit stammten rosa und grüne Tönungen.
Dem 1912 errichteten Haus ist trotz abgenutzter Fußböden, verblasster Farben und verstaubter Verzierungen wenig von seinem Charakter verloren gegangen. Der freiberuflich arbeitenden Restauratorin gefällt der Bau vor allem wegen seiner gut erhaltenen originalen Details. Sie verweist auf die Gurtbögen, Konsolsteine, Bänke und Geländer und schwärmt geradezu vom Schöffensaal mit seinen Holzarbeiten, Fenstern mit Bildern und Stuckarbeiten. Susanne Fuchs ist das zweite Mal dabei, eines der wertvollen Weißenfelser Häuser mit dem Skalpell zu entdecken. Im Markt 6 hat sie bereits Befunde für den Denkmalschutz gesichert.
"Seit mehr als 25 Jahren ist am Amtsgerichtsgebäude nicht viel passiert", weiß Iris Schwedka. Deshalb werde die Renovierung der Flure nicht die letzte Aktion zur Verschönerung sein, die das Haus vor seinem 100. Geburtstag erfahre. Die farbliche Neugestaltung der Flure wird in Zusammenhang mit der notwendigen Verlegung neuer Elektrik durchgeführt. Der Einbau einer Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich sowie eines Lasten- und Personenaufzuges steht auch bevor. An den Fußböden, Fenstern und Türen soll nach den Wünschen von Amtsgerichtsdirektor Dr. Michael Koch die Restaurierung fortgesetzt werden, soweit das vom Justizministerium im Rahmen einer "kleinen Baumaßnahme" erwartete Geld reicht und vielleicht sogar noch aufgestockt wird.
Im März 2007 werden die ersten Handwerker erwartet. Nach Abschluss der Arbeiten ist ein Tag der offenen Tür angekündigt.