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Liebesglück in der Bahn Liebesglück: Hochzeit im Zug. Thüringer heiraten in der Bahn nach Halle (Saale).

17.01.2017, 13:00
Das Paar posiert vor seinem Hochzeitszug.
Das Paar posiert vor seinem Hochzeitszug. Peter Lisker

Halle (Saale)/ Weißenfels - Ein bisschen verrückt muss man schon sein, um das zu tun, was Julia und Jürgen Reinhardt am Dienstag getan haben. Sie geben sich in einer Regionalbahn das Ja-Wort.

Darum haben Julia und Jürgen Reinhardt im Zug  geheiratet

Das kommt nicht aus einer Laune heraus. Ihr Unterfangen hat einen ganz einfachen Grund. Beide lieben nicht nur sich, sondern auch das Bahnfahren. Wann es nur möglich ist, kaufen sich die vierfache Mutter und der Vater eines Sohnes, alles Kinder aus früheren Beziehungen, Tickets und los geht es. „Es ist entspannend, wir können die Aussicht genießen und haben keinen Stress auf der Straße“, sagt die 44-Jährige.

Diese Leidenschaft hat sie aber erst von ihrem Mann gelernt. Seit sie sich kennen, nimmt er sie oft auf Dienstfahrten mit. Der 56-Jährige ist beim Nahverkehrsunternehmen Abellio angestellt. In deren Zug findet auch die Trauung statt. Und weil Julia und Jürgen Reinhardt alles richtig machen wollen, haben sie sich für ihre Hochzeit sogar Tickets gekauft - Reinhardts möchten eigentlich keine Sonderbehandlung. Die wird ihnen dennoch zuteil.

Das Paar steigt im thüringischen Fröttstädt ein und ist baff. Der Loungebereich, eine besondere Sitzgruppe im Zug, ist rot und weiß dekoriert. Lampions, Rosen, Schmetterlinge aus Papier, weitere rot-weiße Blumenarrangements und auf die Fensterscheiben geklebte Herzen sorgen für Hochzeits-Atmosphäre. Es gibt einen immensen Medienauflauf. Die Ungewöhnlichkeit des Vorhabens zieht die Berichterstatter an.

Paar aus Friedrichsroda in Thüringen heiratete in der Bahn von Erfurt nach Halle (Saale)

Reinhardts haben die Friedrichrodaer Standesbeamtin Birgit Börner in ihrer Begleitung. Das Paar stammt nämlich von dort und hat am 6. Dezember bei ihr geheiratet. Im Zug ist nämlich nur eine freie Trauung möglich. Eine rechtlich korrekte Hochzeit muss an einem festen Ort stattfinden. Dafür hätte der Zug halten müssen. Das ist auf der Strecke der Regionalbahn aber nicht möglich. Der Bräutigam wollte aber auf den Gleisen zwischen Erfurt und Halle „Ja“ sagen. Dieser Weg hat ihn sein Leben lang begleitet. „Seit der Kindheit, zur Schule, zum Studium, zur Armee und zu Weiterbildungen“, sagt er. Und nun beruflich als Zugbegleiter.

Es ist alles perfekt. Im Waggon wird das Paar per Lautsprecherdurchsage von Franziska Österle begrüßt. Die Frau ist auch Zugbegleiterin. Eigentlich hat sie Dienstag frei gehabt. Extra für ihren Kollegen ist sie in den Waggon gestiegen. Sie und andere Mitarbeiter sorgen dafür, dass es der kleinen Hochzeitsgesellschaft an nichts fehlt. Es gibt Speisen und Getränke. „Ich mache das für meinen Kollegen, weil ich ihn wertschätze“, sagt Franziska Österle. Und sie hat noch mehr für das Paar. Franziska Österle übergibt dem Paar eine Kiste, gefüllt mit zu Mäusen gefalteten Geldscheinen. Es ist das Hochzeitsgeschenk des Teams.

Los geht es. Birgit Börner begrüßt das Paar und deren engste Freunde, Verwandte und Kollegen. Sie findet die Verbindung von Anlass und Ort. So spricht die Standesbeamtin davon, dass nun eine neue Reise im Zug des Lebens begonnen hat. Die Standesbeamtin schaut auf die Zeit, in der sich Julia und Jürgen Reinhardt kennenlernten. Das war vor vier Jahren.

So lernt Julia Reinhardt ihren Mann vor vier Jahren kennen

Rückblick: Julia Reinhardt trägt Zeitungen aus. Das macht sie auch am Haus von dem damals 52-Jährigen. Sie lernen sich kennen. Aus Freundschaft wird mehr. „Bist du mein Schutzengel“, fragt er seine zukünftige Frau irgendwann. Sie lächelt und nickt.

„Seit einem Jahr ist es intensiv“, verrät der Bräutigam. Und weil beide das Bahnfahren lieben, führt „unsere erste Urlaubsreise nach Saalfeld, wo man wunderschön wandern kann“, erinnert sich der Mann.

Es ist soweit. Beim Lied „Küss mich. Halt mich. Lieb mich“ zur Melodie aus dem Kultfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ bekennt sich das Paar zwischen Apolda und Bad Sulza noch einmal zueinander. Anschließend gibt es ein fröhliches Lied, zu dem die Verheirateten mitschunkeln und sich verliebt ansehen.

Stiller Beobachter der Aktion ist Abellio-Pressesprecher Matthias Neumann. „Ich kann es selber kaum fassen“, sagt er. Der Mann meint die Trauung im Waggon. So weit er weiß, hat es so eine Aktion bei noch keinem Reiseunternehmen gegeben. Neumann und sein Team haben die Feuertaufe bestanden. „Wir sind nun für alles offen“, sagt er mit dem Blick in die Zukunft. Er ist sich sicher, dass es weitere Anfragen geben wird.

Gefeiert haben Reinhardts mit ihrer Gesellschaft übrigens ganz bescheiden bei Kaffee und Kuchen in einem reservierten Bereich auf dem Hauptbahnhof in Halle. Anschließend sind sie am Nachmittag wieder nach Hause gefahren - im Zug natürlich.

(mz)