Konstantin Wecker liest in Weißenfels Konstantin Wecker liest in Weißenfels: "Das hat mich Fans gekostet"

Weißenfels - Mit seiner Autobiografie kommt der Künstler Konstantin Wecker am 8. November um 19.30 Uhr im Rahmen der Theatertage ins Weißenfelser Kulturhaus. MZ-Redakteur Holger Zimmer hatte vor einem Konzert des Künstlers im Gewandhaus Leipzig die Gelegenheit zu einem Interview.
Der Sänger Hannes Wader wurde mal mit dem Satz zitiert, dass die Welt ohne Ihre und seine Lieder vielleicht noch schlimmer aussehen würde...
Konstantin Wecker: Er hat tatsächlich gefragt, wie die Welt aussähe, wenn es nicht diese Mosaiksteinchen gegeben hätte. So haben es engagierte Menschen, Kunst und Kultur in Jahrtausenden getan, um nicht ein totales Elend aufkommen zu lassen. Das gab es dann in der Nazi-Zeit, was besonders erschreckend war, weil es eine Ansammlung von Genies in der 1930er Jahren und kluge Menschen gab, die das nicht verhindern konnten.
Ihr Tourneeprogramm heißt „Poesie und Widerstand“. Lässt sich mit Poesie etwas verändern?
Verändern vom Unmenschlichen zum Menschlichen. Das geht nur mit Poesie, die ich als Symbol sehe für Künste, für Kultur und herzliche Menschen, die ihre Menschlichkeit nicht verloren haben. Mit Kriegen können wir keine gewaltfreie Welt schaffen. Das müssten wir doch aus der Geschichte gelernt haben.
Deshalb mögen Sie auch den Dichter der „Blauen Blume“, Novalis?
Novalis sprach von einer Poetisierung der Welt. Das gefällt mir sehr gut und kommt meinen Gedanken sehr nahe. Die Frühromantiker wollten gesellschaftliche Veränderungen. Das war eigentlich eine revolutionäre Bewegung. Im Biedermeier hat sich das geändert. Heute tut man so, als sei die Romantik nur etwas Träumerisches und Verspieltes gewesen.
Nun kommen Sie in die Stadt, in der Novalis gestorben ist. Es ist eine Lesung. Heißt das, dass Sie gar nicht singen?
Ich habe meine Autobiografie „Das ganze schrecklich schöne Leben“ dabei. Alles andere wäre von der Technik her zu aufwendig, aber ich werde zwei, drei A-cappella-Lieder singen. Außerdem lese ich aus dem neuen Buch „Auf der Suche nach dem Wunderbaren - Poesie ist Widerstand“.
Was war in Ihrem Leben schrecklich, was schön, um mal bei der Doppeldeutigkeit der Formulierung zu bleiben?
„Das schrecklich schöne Leben“ ist auch der Titel eines Liedes. Wenn ich auf meine Kindheit zurückblicke, habe ich die Welt verzaubert gesehen. Ich frage mich aber, ob ich heute alles noch einmal erleben möchte. Als Älterem fällt mir auf, dass ich viel Glück gehabt habe.
Ich habe weder Krieg noch Hunger kennengelernt und selbst schwierige Zeiten halten keinem Vergleich mit einem traumatisierten Kind aus Syrien oder verhungernden Kindern in Afrika stand. Dieses Glück birgt eine Verantwortung. Ich müsste dumm sein, wenn ich sage, dass es mein Verdienst gewesen ist, dass es mir so gut ging oder dass ich stolz sein kann, ein Deutscher zu sein.
Was habe ich dafür getan? Das Leben ist aber auch eine Tragödie und wir scheitern an solchen Fragen wie nach dem Sinn des Lebens. Ich bin ein Mensch mit Hoffnungen und liebe das Leben. Es ist aber auch schrecklich, eben weil es für andere schrecklich ist. Man will uns immer einreden, dass der Mensch nur ein Wolf unter Wölfen ist, aber das stimmt nicht. Eine Studie belegt, dass Menschen eher helfen, als dass sie aufeinander einprügeln.
Trotz Autobiografie: Sie denken nicht ans Aufhören?
Wenn ich gesundheitlich weitermachen kann, will ich das tun. Ich kriege vom Publikum die gleiche Kraft, wie sie mein Publikum durch mich erhält.
Sie singen von einer grenzenlosen Welt. Wie sind die Reaktionen darauf?
Die Willkommenskultur war eine wirkliche Bewegung, die ich weiter befürworte und die leider sehr schnell zerschlagen worden ist. Für mich ist sie ein Ideal und ich halte nichts davon, es aufzugeben. Ich halte auch nichts vom linken Nationalismus.
Ich stehe zu meinen Idealen, aber das hat mich Fans gekostet. Manche sind anfangs im Konzert sogar demonstrativ aufgestanden, ich habe aber auch Leute gewonnen. Man singt ja vor Gleichgesinnten und nicht zum Beispiel auf einer AfD-Veranstaltung. Ich würde keinen gewinnen und könnte höchstens denen Mut machen, die schwanken.
Sie haben lange Zeit darauf warten müssen, dass wieder Hunderttausende - wie in den 1980er Jahren im Kampf gegen die Aufrüstung - auf die Straße gehen. Was sagen Sie zu den 250.000 in Berlin und den vielen Menschen im Oktober im Hambacher Forst?
Das war und ist großartig und auch München sollte man nicht vergessen. Es war parteiübergreifend und schön, dass die Leute von Sealife dabei waren. Es wurde deutlich gesagt, dass wir Europa nicht absperren und eingrenzen sollen.
Mein Sohn ist gerade aus dem Hambacher Forst zurückgekommen, wo sie ein Gleis besetzt hatten. Da hat man als Vater schon panische Angst, wenn man in der Zeitung liest, dass sich zwei an die Schienen gekettet haben und ein Zug erst kurz davor stoppen konnte. Mir gefällt das, was sie da machen. Die Frage bleibt, wie ein solches Riesengebiet einem Konzern gehören kann und die Polizei das und nicht die Bürger schützt?
Könnten Sie sich vorstellen, dass Sie als Promi Schuhe von sich in die Weißenfelser Schuhsammlung geben?
Das muss, glaube ich, nicht sein.
››Karten für die Lesung am 8. November ab 19.30 Uhr im Kulturhaus gibt es in der Tourist-Information am Markt. (mz)