CORONAPANDEMIE Impfpflicht für Mitarbeiter in Pflegeberufen: Bringt sie eine Kündigungswelle in Weißenfels und im Burgenlandkreis?
Was Chefs von Seniorenheimen und Kliniken dazu sagen.

Weissenfels/Zeitz/MZ - Seit beinahe vier Jahren arbeitet Lisa (Name von der Redaktion geändert) nun in der Pflege. Die 20-Jährige ist bei einer Zeitarbeitsfirma in der Region tätig und wird in Krankenhäusern und Seniorenheimen eingesetzt, wo sie die Patienten beziehungsweise Bewohner unter anderem wäscht und ihnen ihre Medikamente gibt. „Ich mache die Arbeit sehr gerne“, sagt sie im Gespräch mit der MZ.
Doch überlegt sie, den Job hinzuwerfen, wenn die einrichtungsbezogene Impfpflicht, wie von Bundestag und Bundesrat beschlossen, am 16. März 2022 in Kraft tritt. Davon hält sie nämlich „gar nichts“. „Es wird von Pflegenotstand geredet und dann wird so etwas beschlossen“, sagt sie kopfschüttelnd. Ihre Kollegin Sybille (Name von der Redaktion geändert) empfindet gegenüber der Impflicht sogar „absoluten Hass“. Für die 39-Jährige ist die Kündigung deshalb schon beschlossene Sache.
Damit seien sie bei Weitem keine Einzelfälle. In ihrem Kollegenkreis seien einige geimpft und trotzdem circa 90 Prozent gegen eine Impfpflicht, meint Lisa. Ein Personalrückgang in der Pflege „wird sichere Realität“, ist Sybille überzeugt und verweist darauf, dass sie wie zahlreiche andere Pflegekräfte deshalb gegen die Impfpflicht demonstriert.
Kaum andere Jobperspektiven
Leiter von medizinischen und Pflegeeinrichtungen, mit denen die MZ gesprochen hat, sehen das anders. Zwar sagen die Befragten, dass in den Altenheimen mindestens 75 Prozent, bei den Beschäftigten in den Kliniken sogar 80 bis 90 Prozent geimpft seien, ein nicht unerheblicher Teil ist es aber nicht. Thomas Gilow, Direktor des Weißenfelser avendi-Seniorenheims, hat dennoch „keine Befürchtungen“, dass es zu einem großen Personalschwund kommt, da man „eine große Bindung zu unseren Mitarbeitern“ habe.
„Ich glaube nicht, dass es zu massenweise Kündigungen kommen wird“, sagt auch Hannah Gilles, Geschäftsführerin des Weißenfelser Asklepios-Klinikums und begründet es damit, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht für alle medizinischen und Pflegeeinrichtungen gelten soll. „Diese Personen bräuchten ja dann ein komplett neues Berufsfeld.“
Auch Andreas Fuchs, Geschäftsführer der Stiftung Seniorenhilfe Zeitz, sieht bei diesen Mitarbeitern „den beruflichen Werdegang gefährdet“ und hofft, dass es nicht zu Kündigungen kommt. Das bereitet auch noch Pflegerin Lisa Sorgen, da sie nur diese abgeschlossene Ausbildung hat und noch nicht wisse, wo sie sich sonst bewerben könnte.
„Ich glaube nicht, dass es zu massenweise Kündigungen kommen wird.“
Hannah Gilles, Geschäftsführerin Asklepios Weißenfels
Die Gründe, die bei einigen Pflegekräften gegen die Impfung sprechen, sind indes vielfältig. Da wäre zunächst die Selbstbestimmtheit. „Eine Impfung muss jeder für sich entscheiden und nicht die Regierung“, sagt Lisa. Ähnlich formuliert es Sibylle: „Ich bin ein freier Bürger dieses Landes und möchte selbst über meinen Körper entscheiden.“ Auch der generelle Nutzen der Impfung für den Pflegeberuf wird infrage gestellt. „Ich muss mich ohnehin jeden Tag testen lassen. Das ist sicherer, als sich impfen zu lassen, weil auch Geimpfte das Virus übertragen können“, sagt Lisa. Außerdem sei sie „noch jung und junge Menschen trifft Covid nur sehr selten schwer“.
Auch die gesundheitlichen Bedenken sind groß: „Ich habe Respekt vor den Nebenwirkungen. Das ist noch nicht gut genug erforscht“, meint Lisa. Mindestens ebenso schwer wiegt aber das Misstrauen in die Politik, vor allem, da diese zunächst beteuert hatte, dass es keine Impflicht geben wird. Auch „die Medien“ und selbst viele Ärzte kommen nicht besser weg und würden „nicht die Wahrheit sagen“, meint Sybille. Sie sei weder Corona-Leugnerin noch Impfgegnerin, habe auch alle in Deutschland üblichen Standardimpfungen. Die Impfkampagne gegen Covid bezeichnet sie aber als „Impfexperiment“. Ihre Informationen dazu beziehen die beiden hauptsächlich aus dem Internet und beispielsweise über Videos in den sozialen Medien.
Dort taucht aber zum Teil das auf, was Sybille den Nachrichtenmedien vorwirft. Denn es seien „oft falsche Behauptungen in nicht-rationalen Medien wie Facebook und Telegram, die zur Skepsis bei den Impfungen führen“, berichtet Hannah Gilles über ihre Erfahrungen. Die Asklepios-Mitarbeiter seien deshalb schon mehrmals über den Nutzen und die Risiken der Impfung informiert worden. „Wir wollen auch eine Pflichtfortbildung für ungeimpfte Mitarbeiter einführen“, sagt die Geschäftsführerin.
„Wir als Klinikum erleben die Pandemie im täglichen Arbeitsprozess. Nicht nur aus diesem Grund wenden wir uns weiter an unsere noch ungeimpften Mitarbeiter, um Vertrauen aufzubauen und die Verunsicherung auszuräumen“, sagt auch Marika Hesse, Sprecherin des Zeitzer und Naumburger SRH-Krankenhauses. Sowohl Andreas Fuchs als auch Hannah Gilles hoffen zudem, dass die Impfquote noch einmal steigen wird, wenn sogenannte Totimpfstoffe in Deutschland zugelassen werden. Denn wiederkehrend sei die Skepsis gegenüber den relativ neuartigen mRNA-Impfstoffen.
Allgemeine Impfpflicht fairer
Glücklich sind die Kliniken und Altenheime mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht aber ebenfalls nicht. Hannah Gilles bezeichnet sie beispielsweise als „stigmatisierend“ und fände eine allgemeine Impfpflicht gerechter. Andreas Fuchs sieht es genau so: „Ich hätte es fairer gefunden, wenn eine allgemeine Impfpflicht gekommen wäre.“
Einigkeit herrscht aber bei allen Befragten darüber, dass die Pflegekräfte „unabhängig von ihrem Impfstatus extrem engagiert“ sind, wie etwa Andreas Fuchs sagt. Das betätigt Pflegerin Lisa: „Wir haben in und auch schon vor der Pandemie so vieles geleistet. Diese Arbeit sollte mehr geschätzt werden.“ Umso enttäuschter ist sie, dass den Pflegern „nun mit der Impfpflicht in den Arsch getreten“ wird.