Hausschuhe aus der DDR Hausschuhe aus der DDR: Gefragte Häschenschuhe

Weissenfels - Einen bekannten Kinderhausschuh aus DDR-Produktion gab es schon zum Verwechseln ähnlich in den 1920er Jahren. In der DDR wärmten sie seit den 50er Jahren die Füßchen ihrer kleinen Träger vom Thüringer Wald bis zum Ostseestrand.
Kleine niedliche rote Kinderhausschuhe schauen mich an. Mit den hoch aufgestellten Hasenohren auf dem Schuhvorderblatt, dem aufgestickten weißen Gesicht, den blauen Augen und Schnurrbarthaaren erscheinen sie auf den ersten Blick eher wie kleine Plüschtiere als wie Hausschuhe. Diese sogenannten Häschenschuhe waren in der DDR besonders beliebt bei den kleineren Kindern. Die kleinsten Größen passten bereits Einjährigen.
Die Autorin Alice Peterich, Jahrgang 1951, wuchs im mecklenburgischen Zarrentin am Schaalsee auf. Sie arbeitete von 1975 bis 2001 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig. Derzeit forscht sie zur Kulturgeschichte der Kinderkleidung in Mecklenburg-Vorpommern. Die Diplom–Historikerin lebt seit 2001 in Schleswig-Holstein.
In der DDR wärmten sie seit den 50er Jahren die Füßchen ihrer kleinen Träger vom Thüringer Wald bis zum Ostseestrand. Mütter kauften sie für ihre Jungen oder Mädchen in den HO-Schuhgeschäften oder fanden sie im Sortiment der „Centrum“- und „Konsument“-Warenhäuser in der Republik.
Auch die ländliche Bevölkerung konnte die begehrten Häschenschuhe käuflich erwerben – zwar war dieses Schuhmodell nicht überall in den örtlichen Läden vorrätig, aber über den Versandhandel ließen die sich bequem bestellen. Dafür füllte man einfach ein Bestellformular mit den gewünschten Artikeln aus und schickte dieses an das „Centrum“- oder das „Konsument“-Versandhaus. Per Post kamen die bestellten Produkte direkt nach Hause. „Sie bestellen - wir liefern“, lautete die Devise des Versandhandels in der DDR.
Aus eigenem Erleben weiß ich allerdings, dass es nicht so einfach war, einen Versandhauskatalog aus Leipzig oder Karl-Marx-Stadt zu ergattern. 1973/74 gab es in der Herbst/Winterausgabe des Versandhauskataloges Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) den „Häschenhausschuh aus rotem Dederonwirksamt, Wirkfutter, Filzsohle“, in den Größen 20, 21, 22. Kurze Zeit später wurde der Versandhandel in der DDR allerdings eingestellt. Produziert wurde der niedliche Hasenschuh im erzgebirgischen Ort Stützengrün, besser gesagt im VEB Hausschuhfabrik – Werk Hundshübel, der zum großen VEB Schuhkombinat „Banner des Friedens“, in Weißenfels, gehörte.
Der Schuh ist in seiner Ausführung ganz auf den kleinen Kinderfuß ausgerichtet: Er reicht bis zum Knöchel und unterstützt die Kleinen somit dabei, dass sie stabil und sicher laufen können. Eine geriffelte graue Kunststoffsohle verhindert zudem ein schnelles Ausrutschen.
Für Jungen auch in Blau
Die lustigen roten Hausschuhe besaßen auch meine Töchter Luise (Jahrgang 1978) und Maria (Jahrgang 1982), Ich hatte sie im Konsument-Warenhaus am Leipziger Brühl, im Volksmund Blechbüchse genannt, für sie gekauft. Ich erinnere mich daran, dass ich dort die Schuhe in den Auslagen auch in kräftig blauer Farbgebung gesehen habe, die typisch ist für die Jungen. Doch die niedlichen kleinen Hasen sind keine Kreation aus DDR-Zeiten.
Tatsächlich weist das Häschenhausschuh-Modell eine lange Tradition auf: Bereits in den 1920er Jahren war es auf dem Markt erhältlich. Beim Stöbern im Internet machte ich im Januar 2010 eine sensationelle Entdeckung: Auf einem Onlinemarktportal bot ein Verkäufer einen „GOLD-HÄSCHEN Baby-Schuh federleicht bequem hygienisch, Farbe rosa, Größe 19“ aus dem Jahr 1923 an. Sogar der dazugehörige kleine Originalkarton aus hellgrauer Pappe war gut erhalten geblieben. Ich ersteigerte dieses Modell und war überglücklich über diesen „Fund“. Nachdem der „GOLD-HÄSCHEN Baby-Schuh“ gut verpackt in seinem Originalkarton auf dem Postwege bei mir eintraf, fand ich auf der Kartonseite mit Bleistift notiert: „2,60“, was auf den damaligen Preis hinweist. Während das braun aufgedruckte: „III/ 23“ das Herstellungsjahr benennt.
Schuhe waren immer mit dabei
Dieses ältere „Schwesterpaar“ aus den 1920er Jahren sieht dem „Häschenhausschuh“ aus der DDR-Produktion zum Verwechseln ähnlich. Allerdings zeigt das ältere Modell einen rosa Farbton und hat eine dickere, festere hellblaue Filzfütterung. Ich nahm Kontakt zu dem Verkäufer auf, um Genaueres zur Herkunft der Schuhe zu erfahren. Er berichtete, dass die Trägerin der Hausschuhe am 8. März 1923 in Adorf im Erzgebirge auf die Welt kam und als Einjährige 1924 in die Hausschuhe schlüpfte. Sie waren ein Geschenk ihrer Dresdner Patentante. 1948 zog sie mit ihren GOLD-HÄSCHEN-Schuhen samt Originalkarton in den Westen nach Stuttgart. Auch bei ihrem Umzug nach Frankreich 1998 kamen die kleinen Schuhe mit. Als die ältere Dame im Herbst 2009 starb, löste der Verkäufer ihren Haushalt in Frankreich auf und nahm ihre Schuhe wieder mit nach Deutschland.
Dass gerade die ersten Schuhe von Kindern aufgehoben werden, ist keine Besonderheit, sondern eine Art Brauch, den bereits unsere Großeltern, Urgroßeltern und Ururgroßeltern pflegten. Die ersten, selbst eingelaufenen Schuhe wurden meist von den Eltern aufgehoben, weil sie eine Erinnerung sind an das besondere Ereignis, als ihre Kinder laufen lernten und somit ihre ersten selbstständigen Schritte ins Leben starteten.