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Gutshaus Storkau Gutshaus Storkau: Uhr sendet ein Lebenszeichen

Von Holger Zimmer 15.12.2017, 15:35
Heidrun Panzer ist hier zwei Jahrzehnte als Kindergarten-Leiterin tätig gewesen. Oben am Giebel ist das Zifferblatt der Uhr zu sehen.
Heidrun Panzer ist hier zwei Jahrzehnte als Kindergarten-Leiterin tätig gewesen. Oben am Giebel ist das Zifferblatt der Uhr zu sehen. Marco Junghans

Storkau - Klaus-Peter Kohlstrung hat derzeit so etwas wie Bleiberecht im Storkauer Gutshaus. Denn das Haus soll versteigert werden und sonst hat niemand Zutritt. Er aber muss einmal in der Woche freitags die 96 Jahre alte Uhr aufziehen. Das Zifferblatt ziert unterm Dach die Eingangsfront. Betritt der 61-Jährige das Haus, benutzt er das „Kalendertürchen“ um die Ecke, den Dienstboteneingang. 2011 hat er den Dienst für die genaue Zeit von seinem Vater Karl übernommen. Der war damals 85 Jahre alt und ist vor vier Jahren verstorben.

Karl Kohlstrung, der 1945 nach Storkau gekommen war, hatte als Werkstattleiter im Gut goldene Hände. Uhren hat er sogar repariert, einige auch gesammelt und noch zu seinen Lebzeiten ins Stößener Heimatmuseum gegeben. Seinen Sohn nahm er beizeiten mit auf den Boden des Gutshauses und dieser hat dann auch mal alles geölt und das Zifferblatt gestrichen.

„Die Uhr gehört doch irgendwie zum Dorf dazu.“

Außerdem weiß Klaus-Peter Kohlstrung, dass der Vater mal die Gewichte in unmittelbarer Nähe der Uhr, die sich in einem kleinen Wandschrank befindet, an der Decke angebracht hat. Denn sie seien mal abgestürzt und wären fast eine Etage tiefer gelandet. Vaters Berechnungen mit Kreide- und Bleistiftziffern seien laut Kohlstrung noch immer am Gehäuse zu sehen. Er selbst hatte Kraftfahrzeugschlosser gelernt, war in DDR-Zeiten beim Energiekombinat tätig und zuletzt bei der Envia M.

Er führe nun das Erbe des Vaters fort und wenn er mal im Urlaub sei, helfe ihm Roland Schetter. Warum er das macht? „Die Uhr gehört doch irgendwie zum Dorf dazu.“ Früher habe sie den Gutsarbeitern den Feierabend verkündet, heute wollen manche den Glockenschlag zur halben und vollen Stunde nicht missen. Steht allerdings der Wind ungünstig, ist er nicht überall im Dorf zu hören. Und mitunter bleibt das Chronometer auch stehen. Dann, wenn bei unter zehn Grad Celsius das Öl dick wird.

Die schönsten Jahre ihres Lebens verbracht

Heidrun Panzer sieht das Gutshaus von ihrem Haus aus. Hier hat sie als Leiterin des Kindergartens die schönsten Jahre ihres Lebens verbracht, aber Ende 1993 auch die bittersten Stunden erlebt. Damals wurde die Einrichtung geschlossen, weil nur noch 15 Kinder kamen. Drei Jahre war sie danach in der Pettstädter Tagesstätte tätig und am Ende in der in Dehlitz. Nach der Ausbildung hat sie die Storkauer Einrichtung mit 19 Jahren zunächst kommissarisch übernommen.

Zwei Räume mit Stuckdecken standen damals zur Verfügung. Auch zwei Öfen gab es dort, die man im Winter sonntags schon vorheizen musste, wenn niemand frieren sollte. Und sie sagt, dass es angesichts des darunter liegenden Kellers immer fußkalt gewesen sei. Hier wurden mittags die Liegen zum Schlafen aufgestellt, hier wurde gespielt. Über eine Veranda gelangte man zu einem kleinen Spielplatz und in den Gutspark. „Wir hatten die Natur vor der Tür, konnten spazieren gehen und auch mal in den Ställen bei der Arbeit zuschauen.“

Kinderzahlen lagen zwischen 24 und 32

Die Kinderzahlen lagen zwischen 24 und 32 und einen Teil hat bei Wind und Wetter Rita Adolf aus Obschütz mit- und am Nachmittag zurückgebracht. Noch heute denkt sie gern an das Miteinander mit den Eltern zurück, die bei Arbeitseinsätzen auch mal das Außengelände in Ordnung gebracht haben. Heidrun Panzer sagt, dass man bei Festen dabei gewesen sei und im Saal der Gaststätte von Gutjahrs kleine Programme gezeigt habe. Heute geht sie mit ihrem nicht mal zweijährigen Enkel Oskar in den Park und zeigt ihm alles.

Der verfällt zusehends. Da sei nicht schlecht gewesen, als vor ein paar Jahren auch die Fassade gestrichen worden ist. Doch das Haus müsste eigentlich grundlegend saniert werden. Ob sich da im Zuge der Versteigerung jemand findet? „Es müssten ja Millionen investiert werden“, sagt Heidrun Panzer.

Ortsbürgermeisterin von Storkau ist nur vorsichtig optimistisch

Auch Ortsbürgermeisterin Walburga Schetter (62) ist da nur vorsichtig optimistisch. Sie meint, dass viele über den Zustand des Gutes schimpfen, aber auch sagen: „Das tut einem in der Seele weh.“ Sie kann sich noch an die Grundschulzeit erinnern, in der drei Klassen in einem Raum von einem Lehrer unterrichtet wurden. Den Kindergarten hat sie zwischen 1958 und 1961 besucht. Mittags ging es nach Hause zum Essen und danach war Mittagsruhe auf Liegen mit geflochtener Liegefläche. Sie lag gleich neben dem Ofen und ihre Nachbarin war Elvira Herger. „Wir waren viel draußen“, bekennt sie.

In dem Haus, in dem sie heute wohnt, gab es übrigens früher kein Wasser. Das musste man aus der sogenannten Kaserne für die Gutsarbeiter holen. Im Sommer konnte sie eine Zinkbadewanne zum Waschen nutzen, in der kalten Jahreszeit ging man öfter in den Gutshaus-Keller, in dem Badeofen und Wanne standen.

Als Sowjettruppen das Kommando übernahmen

Die MZ hatte während eines Besuches vor drei Jahren mal Gelegenheit, mit Hartwig Schuldt zu sprechen. Der Hamburger hatte mit seinen weit über 80 Jahren darüber berichtet, wie er das Kriegsende hier erlebte. Als im April 1945 die Amerikaner einmarschierten, habe er übersetzt. Er beherrschte die englische Sprache und besuchte bis 1947 das Weißenfelser Gymnasium.

Er sprach auch davon, dass zehn Wochen später Sowjettruppen das Kommando übernahmen. Die Offiziere hätten zuerst den Pferdestall besichtigt. Ernst Thimey, der Besitzer des Gutes, wurde im Herbst 1945 inhaftiert und faktisch enteignet. Später lebte er in Weißenfels. Nach der Wende hatte Schuldt als Thimeys Verwandter versucht, das Gut übertragen zu bekommen.

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Uhrwerk im Schrank
Uhrwerk im Schrank
Privat
Das Pendel der Uhr
Das Pendel der Uhr
Privat
Bei Aufräumungsarbeiten vor drei Jahren.
Bei Aufräumungsarbeiten vor drei Jahren.
Peter Lisker