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Greenpeace-Protest bei der Mibrag in Deuben  Greenpeace-Protest bei der Mibrag in Deuben : Kraftwerk vor Notabschaltung

Von Anja Melior und Steffen Höhne 03.11.2015, 09:46
Einhundert Greenpeace-Aktivisten protestieren vor dem Kraftwerk und auch auf der Esse. Sie fordern eine Abschaltung des Werkes bis 2020.
Einhundert Greenpeace-Aktivisten protestieren vor dem Kraftwerk und auch auf der Esse. Sie fordern eine Abschaltung des Werkes bis 2020. Anja Melior Lizenz

Deuben/Halle (Saale) - Das Braunkohle-Kraftwerk der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft (Mibrag) in Deuben stand Dienstagmittag kurz vor der Abschaltung. Etwa 100 Greenpeace-Aktivisten - unter anderem auch aus Tschechien und Schweden - protestierten gegen Kohlestrom und forderten eine schnelle Abschaltung. Immer wieder wurde seitens der Organisatoren betont, es handele sich um eine friedliche Aktion. Seinen Höhepunkt erreichte der Protest, als mit einem Ballon, einem symbolischen Korken, der Schornstein blockiert werden sollte. Das sorgte zeitweise für eine Teilevakuierung des Kraftwerks. Wäre der Abzug blockiert worden, hätte laut Mibrag Explosionsgefahr bestanden. Etwa 35 Mitarbeiter wurden vorsorglich in Sicherheit gebracht.
Bereits am frühen Morgen hatten sich laut Mibrag-Pressesprecherin Sylvia Werner einige Aktivisten Zutritt zum Gelände verschafft. Überall auf dem Areal wurden Totenköpfe in weißer Farbe auf den Boden aufgesprüht, an den Wänden in Schwarz. „Das ist Hausfriedensbruch sowie Sachbeschädigung. Das werden wir zur Anzeige bringen“, erklärte Werner, die das Spektakel vorm Tor des Werkes zusammen mit Werkleitung, Angehörigen der Polizei, Feuerwehr und des Rettungsdienstes verfolgte. Rund 90 Einsatzkräfte waren nach Deuben beordert worden.

Per E-Mail war das Unternehmen am Morgen von Greenpeace informiert worden, dass sich ab 6.30 Uhr eine Gruppe von 50 Umweltaktivisten auf dem Schornstein befinden werde, um dort friedlich gegen die Verstromung von Braunkohle zu protestieren. Sie seien bereits seit halb vier damit beschäftigt, die Aktion vorzubereiten.

Am Haupttor zum Kraftwerk demonstrierten Greenpeace-Mitglieder mit Transparenten. Coal kills - Kohle tötet, war zu lesen. Am Schornstein hatten Kletterer eine große Fahne mit Totenkopf angebracht. Die Wege für Lkw waren blockiert. „Das beeinträchtigt unsere Arbeit natürlich sehr“, sagte Sylvia Werner. Unklar blieb, was noch folgen sollte. In schwindelerregender Höhe werkelten einige Kletterer. Auch Greenpeace-Sprecherin Susanne Neubronner aus Hamburg hielt sich bedeckt, verwies aber darauf, dass es ein absolut friedlicher Protest sei und man gespannt sein solle, was folgt. Kurz vor Mittag versuchten die Greenpeace-Aktivisten einen großen orangenen Ballon über den Abzug zu ziehen. Wenige Minuten später schrillten im Werk die Alarmglocken, die Einsatzkräfte vor Ort machten sich für Rettungsaufgaben bereit. Direktor Hellmuth Krieg, bei der Mibrag für die Kraftwerke verantwortlich, sagte: „Zu diesem Zeitpunkt gibt es einen Rückstau im Schornstein, damit sind Menschenleben im Werk in Gefahr.“ Eine Evakuierung und sogar Abschaltung des Kraftwerks wurden erwogen. Ein Teil der Mitarbeiter verließ das Werk. Um den Betrieb aufrecht zu erhalten, seien jedoch 15 Beschäftigte an ihren Arbeitsplätzen verblieben, hieß es. Etwa eine Stunde schwebte der Ballon festgekettet über dem Abzug, bis er schließlich zerriss.

Der kaufmännische Geschäftsführer der Mibrag, Bernd-Uwe Haase war sprachlos. „Ich bin schockiert von so viel Fahrlässigkeit und der Risikobereitschaft, Menschenleben zu gefährden. Ich bin immer für friedliche Diskussionen offen, aber diese Aktion überspannt den Bogen.“ Greenpeace-Aktivistin Neubronner sah das anders. „Es bestand zu keiner Zeit ein Risiko für irgendjemanden“, behauptete sie überzeugt.

Die Greenpeace-Aktivisten fordern eine schnelle Abschaltung der Braunkohle-Kraftwerke. Diese emittieren vergleichsweise viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2). Laut Statistiken stoßen die Meiler zwischen 980 bis 1 230 Gramm CO2 je Kilowattstunde aus, bei modernen Gaskraftwerken sind es nur 410 bis 430 Gramm. Zudem setzen Kohlekraftwerke vergleichsweise viel Quecksilber frei.

Das es nun ausgerechnet die Mibrag traf, dürfte zwei Gründe haben. Zum einen ist das Kraftwerk Deuben relativ alt und damit ineffizient. Zum anderen beteiligt sich die Mibrag derzeit an einem Bieterverfahren um die Lausitzer Braunkohle. Der Energiekonzern Vattenfall will mehrere Kraftwerke und Tagebaue verkaufen (die MZ berichtete). Auch Greenpeace beteiligte sich an dem Verfahren, um die Kohle-Aktivitäten möglichst schnell stillzulegen. Das Angebot wurde durch Vattenfall aber bereits abgewiesen. Nun könnten sich die Umweltschützer darauf konzentrieren, den anderen Bietern auf die Füße zu treten. (mz)

Der Protest sollte friedlich laufen. Als die Aktivisten jedoch einen Ballon über den Abzug spannten, gingen die Alarmglocken im Betrieb.
Der Protest sollte friedlich laufen. Als die Aktivisten jedoch einen Ballon über den Abzug spannten, gingen die Alarmglocken im Betrieb.
Anja Melior Lizenz
Aktivisten von Greenpeace besetzten in Deuben (Sachsen-Anhalt) das Betriebsgelände und den Schornstein von Deutschlands ältestem Braunkohlekraftwerk, und hissen ein Plakat mit der Aufschrift "Coal Kills".
Aktivisten von Greenpeace besetzten in Deuben (Sachsen-Anhalt) das Betriebsgelände und den Schornstein von Deutschlands ältestem Braunkohlekraftwerk, und hissen ein Plakat mit der Aufschrift "Coal Kills".
dpa Lizenz
Greenpeace-Aktivisten protestieren auf dem Gelände der Mibrag in Deuben und fordern eine Abstellung des Kraftwerks. Am Schornsteine haben sie dafür eine Fahne mit Totenkopf-Symbol angebracht.
Greenpeace-Aktivisten protestieren auf dem Gelände der Mibrag in Deuben und fordern eine Abstellung des Kraftwerks. Am Schornsteine haben sie dafür eine Fahne mit Totenkopf-Symbol angebracht.
Anja Melior Lizenz