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Optiker auf der Hochwasser-Insel Flut 2013: Optiker auf der Hochwasser-Insel - Fluthelfer brachte Entenbraten, Rotkohl und Klöße

Von Andreas Richter 06.06.2018, 08:21
Warmes Essen für Frank und Rosel-Maria Thill: Wolfgang Lehmann (rechts) war 2013 einer der vielen Fluthelfer in Weißenfels.
Warmes Essen für Frank und Rosel-Maria Thill: Wolfgang Lehmann (rechts) war 2013 einer der vielen Fluthelfer in Weißenfels. Peter Lisker

Weißenfels - Wenn sich der Fluss bis zu den letzten beiden Treppenstufen am benachbarten Bootsverleih hinaufgearbeitet hat, dann ist für Frank Thill Alarmstufe rot. Spätestens dann überprüft er das Notstromaggregat im Heizungsraum, holt die 60 Zentimeter hohen Schotten aus Kunststoff raus und versperrt damit die Außentüren im Erdgeschoss seines Wohn- und Geschäftshauses an der Dammstraße. Neben den nach Maß gefertigten Brettern stehen in einem Kellerraum Besen, Eimer und Schläuche, Stiefel und Tauchpumpe griffbereit.

Die letzte Alarmstufe rot liegt jetzt genau fünf Jahre zurück. Es war das dritte Hochwasser, das Optikermeister Frank Thill und seine Mitarbeiter auf dem Grundstück an der Weißenfelser Pfennigbrücke erleben mussten. Eine Tafel am Haus gibt Auskunft: 2. Juni 2013, maximaler Pegelstand 6,42 Meter. Davor trat die Saale im Januar 2003 und im April 1994 über die Ufer.

Hochwasser 2013: Eine Woche lang stand das Wasser auf dem Grundstück

Eine Woche lang stand das Wasser auf dem ganze 50 Meter vom Saaleufer entfernten Grundstück von Frank und Rosel-Maria Thill. Zeitweise war das Haus an der Dammstraße eine Insel. Nach Kurzschlüssen im Verteilerkasten war vorübergehend der Strom weg. Enten schwammen im Hof umher, Kunden wateten in Gummistiefeln durch bis zu 50 Zentimeter hohes Wasser, um ihre Brillen abzuholen. Einen Zollstock hat Familie Thill aufgehoben, dort sind die Wasserstände der einzelnen Tage genau dokumentiert.

Was heute von diesen aufregenden Tagen der Flut hängen geblieben ist? „Es ist vor allem die beeindruckende Hilfsbereitschaft der Menschen“, sagt Frank Thill. Unzählige Fotos zeugen von Beispielen der Mitmenschlichkeit in jenen schweren Tagen. Als das Wasser gerade weg ist, bringt auf einmal ein benachbarter Geschäftsmann Entenbraten, Rotkohl und Klöße zur Stärkung der Helfer vorbei.

Hochwasser 2013: Einer der berührendsten Augenblicke

So banal das auf den ersten Blick erscheinen mag - für Frank Thill und seine Mitstreiter ist dies einer der berührendsten Augenblicke in jenen Hochwassertagen. „Für kurze Zeit fiel die ganze Anspannung von uns ab. Es war ein Moment, den wir alle bis heute nicht vergessen haben“, sagt Frank Thill. Ebenso wenig wie die Pfingstrosen, die eines Morgens an der Ladentür stecken. Ein Kunde hat den Strauß als Mutmacher hinterlassen.

Mut und Kraft brauchte Familie Thill jede Menge. „Die Nächte waren am schlimmsten“, erinnert sich Rosel-Maria Thill. In Schichten sind sie wach geblieben. Haben angekämpft gegen die zerstörerische Kraft des Wassers. „Die Leute waren zum Teil fix und fertig“, sagt der Weißenfelser Geschäftsmann.

Nach Hochwasser 2013: Sanierungsarbeiten dauern ein halbes Jahr

Als sich der Fluss längst wieder zurückgezogen hatte, begann in jenem Sommer die große Aufbauarbeit. Ein halbes Jahr lang haben sie bei laufendem Betrieb die Geschäftsräume Stück für Stück saniert. Und dabei eine neue Flut immer im Blick gehabt. Die Büroschränke stehen jetzt auf kleinen Füßen. An den Wänden ist heute keine Tapete mehr, sondern atmungsaktive Farbe und Putz, der Wasser relativ gut verträgt.

„Wir haben bei drei Mal Hochwasser viele Erfahrungen sammeln müssen“, sagt der 61-jährige Weißenfelser. Den Mut haben sie nicht zuletzt dank der vielen Helfer jedoch nie verloren. Und sie lieben noch immer ihren Standort am Fluss. Möchten trotzdem nicht irgendwo anders arbeiten und leben. „Die Saale kann doch so schön beruhigend sein“, meint Rosel-Maria Thill. (mz)

Frank Thill zeigt das Notstromaggregat im Heizungsraum.
Frank Thill zeigt das Notstromaggregat im Heizungsraum.
Peter Lisker