Ein Jahr vor der Einschulung Ein Jahr vor der Einschulung: Sprache bleibt ein Manko

weissenfels - Etwa jedes fünfte Kind aus dem Burgenlandkreis, das im nächsten Jahr eingeschult wird, hat sprachliche Lautauffälligkeiten. Darauf verweist die promovierte Kinder- und Jugendärztin Christel Bruchmann, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Kerstin Meißner seit März diese Untersuchungen in den Kindertagesstätten im Kreis noch bis Mitte September durchführt. So sprechen diese Kinder von „dekommen“ statt „gekommen“ und von „demacht“ statt „gemacht“. Aus ihrer Erfahrung heraus kann die Ärztin beurteilen, dass es bei den Jungen zumeist schlechter aussieht als bei den Mädchen. Christel Bruchmann: „Wir haben allerdings noch ein Jahr Zeit, das zu korrigieren.“ Sie erklärt, dass die Sprachauffälligkeiten in diesem Jahr jedoch ganz, ganz leicht abnehmen.
Familien sprechen zu wenig
Die Ärztin nennt zugleich eine Ursache: Es wird in den Familien zu wenig gesprochen. Das wiederum sei nicht neu und führe dazu, dass sich die Sprache der Mädchen und Jungen nicht grundlegend verbessern könne. Das richtige Sprechen und Artikulieren werde deshalb für die Schulanfänger im Burgenlandkreis immer mehr zu einem ernsthaften Problem. So sei belegbar, dass sich gegenüber 1997 die Zahl der Schulanfänger mit Sprachschwierigkeiten verdreifacht hat. Lag die Zahl der betreffenden Schüler 1997 im Altkreis Weißenfels noch deutlich unter zehn Prozent, rangiert sie mittlerweile bei über 30 Prozent.
Unter einer Sprachentwick-lungsstörung versteht man eine nicht dem Alter entsprechende Entwicklung der sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes, erklärt die in der Kreisverwaltung angestellte Kinder- und Jugendärztin Christel Bruchmann.
Eine Sprachstörung ist allerdings nicht nur eine Störung der gedanklichen Erzeugung von Sprache, sondern auch eine mundmotorische Störung. Diese wirkt sich negativ auf die gesamte Entwicklung des Kindes aus, auf die schulische Situation, den Kontakt zu Gleichaltrigen und auf die Beziehungen in der Familie.
Es sind folgende Arten von Sprachstörungen zu unterscheiden: Lautauffälligkeiten, Störung der Grammatik, verminderter Wortschatz und Störung des Sprachflusses, so die Ärztin.
Um hier aus der Klemme zu kommen, erteilt die Schulärztin den betreffenden Eltern Empfehlungen, die unter anderem darin münden, mit ihrem Kind einen Logopäden aufzusuchen. Christel Bruchmann: „Eine Sprachtherapie empfohlen haben wir bis jetzt 14 Prozent der untersuchten Kinder und weitere zwölf befinden sich in Therapie.“
Zu den positiven Ergebnissen zählt sie hingegen, dass die Kinder zunehmend besser körperlich fit sind. Die Bewegungskoordinationen seien eindeutig besser geworden. Es sei spürbar, dass viele Kinder in ihrer Freizeit die Angebote von Vereinen für sportlichem Ausgleich annehmen.
Gleiche Kriterien bei der Untersuchung
Zu den Untersuchungen gehört allerdings nicht nur die Sprache. Christel Bruchmann schaut sich bei den Abc-Schützen, rund 1 400 sind es insgesamt im Landkreis, zudem gründlich die Ohren und Augen an, geht es um das räumliche Sehen, die Farbtauglichkeit und wird auch der Blutdruck gemessen. Neu ist allerdings, dass es sich um eine standardisierte Untersuchung handelt. Soll heißen, ab 2015 erfolgen die Gesundheitsuntersuchungen an allen Einrichtungen in Sachsen-Anhalt nach den gleichen Kriterien. Momentan seien es acht Kreise, die sich bereits danach richten. „Man verspricht sich dann einen besseren Vergleich der Ergebnisse“, so Christel Bruchmann. So könne herausgefiltert werden, in welcher Region besondere Auffälligkeiten bestehen. (mz)