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Ehepaar aus Thüringen Ehepaar aus Thüringen: Mit dem Fahrrad um die Welt

Von Holger Zimmer 10.11.2013, 20:29
Gisela und Wilfried Hofmann vor ihrem gut besuchten Vortrag im Gasthof „Stadt Weißenfels“.
Gisela und Wilfried Hofmann vor ihrem gut besuchten Vortrag im Gasthof „Stadt Weißenfels“. Michael Thomé Lizenz

Weissenfels/MZ - Roland Zimmer könnte sich durchaus vorstellen, auch mal um die Welt zu radeln. Immerhin hat er bereits mehrere Nonstoptouren hinter sich: Paris - Brest über 1 200 Kilometer und noch 400 Kilometer mehr durch Italien. Aber vier Jahre aussteigen und alles hinter sich lassen wie Gisela (57) und Wilfried (59) Hofmann? Er schüttelt den Kopf.

Am Freitagabend ist er beim Vortrag des Ehepaars aus dem thüringischen Sonneberg im Gasthof „Stadt Weißenfels“ in der Neustadt dabei. Die Präsentation „Mit dem Fahrrad vier Jahre um die Welt“ hatte der Lauf- und Radsportverein der Saalestadt um Dirk Niehle und Frank Kramer organisiert.

Was die Hofmanns in der Welt gesucht haben? Die unmittelbare Nähe zu den Menschen, auf die sie sich unterwegs immer wieder eingelassen haben, wenngleich oder gerade weil es auch einige schlechte Erfahrungen gegeben hat. Sie haben 48.000 Kilometer auf dem Rad zurückgelegt und mehrere tausend weitere Kilometer mit anderen Verkehrsmitteln. Vier Jahre sind komprimiert zum zweistündigen Vortrag mit Bildern, die aus 25.000 ausgewählt wurden. Sie erlebten plus 47 Grad ebenso wie minus 21 Grad Celsius. Unterwegs haben sie auch deshalb 600 Lagerfeuer entfacht. (hz)

Besonders beeindruckend ist eine Begegnung mit Aborigines, den australischen Ureinwohnern. Dort wurden sie mit den Worten verabschiedet, dass sie die ersten Weißen seien, die die Hand gegeben und die Familie zum Essen eingeladen hätten. Der Rassismus war gegenwärtig. Wilfried Hofmann, der den Vortrag bestreitet, erzählt vom Weg zwischen dem Oman und Jemen. Dort habe man tatsächlich erlebt, was man nur vom Hörensagen kannte: Die Wüste wurde nach einem Gewitter grün. 20 Flaschen Wasser hatte man dort zusätzlich dabei, so dass die Felge fast folgerichtig riss und Hofmann dann in einer Aluschweißerei himmelangst wurde. Dennoch hielt sie drei Jahre bis nach Ägypten durch.

Neben den Strapazen gab es Psychostress. Schließlich steckte man es nicht so einfach weg, wenn man vor dem Grenzübertritt in den Jemen gesagt bekam: „Wenn ihr Glück habt, werden sie euch nur ausrauben.“ Alles ging gut, aber Jahre später gab es in Kenia tatsächlich einen Überfall, als junge Kerle aus dem Busch kamen und sich das Gepäck von den Rädern schnappen wollten. Die Thüringer zeigten keine Angst, aber die Täter ließen erst von ihnen ab, als sich ein Taxi näherte. Heute sagt das Ehepaar, dass das auch woanders hätte passieren können. Die Besucher hören von Schlangen und Krokodilen, von atemberaubenden Touren in die Bergwelt... Als Gisela Hofmann wegen ihrer Mutter kurz nach Deutschland flog, fuhr ihr Mann in Südamerika den Abra-Blanca-Pass und weiter bis auf immerhin 4 800 Meter hi-nauf. Eine schöne Schinderei.

Was sie zu dieser Tour angetrieben hat? Frau Hofmann erzählt von ihrem Sohn Martin, der 2003 zu einer Radtour aufgebrochen war. „Von dieser Tour ist er immer noch nicht zurück und heute lebt er in Neuseeland.“ Als dann ihre eigenen Väter 61-jährig verstarben, habe ihnen das verdeutlicht, wie endlich das Leben ist. Sie habe eine Regelung in Anspruch genommen, nach der sie als Sachbearbeiterin fünf Jahre aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden könne und ihr Mann habe seine Stelle im Betriebsrat aufgegeben. Die Eigentumswohnung habe man ihrer Mutter überlassen, so dass sie von der Miete und dem Ersparten unterwegs leben konnten.

Extra vorbereitet habe man sich laut Gisela Hofmann nicht, waren sie doch zuvor schon oft mit den Fahrrädern unterwegs, haben in Sri Lanka über 3 000 Kilometer und im Jemen an die 700 Kilometer zurückgelegt. Dorthin gebe es auch eine intensive freundschaftliche Verbindung zu einer Familie.

Eigentlich wollte man nur den Sohn besuchen, doch mit der Zeit sei alles ein Selbstläufer geworden, der sie immer weitergetrieben habe. Und wie groß sei das Glücksempfinden gewesen, nach vier Jahren wieder daheim zu sein? Gisela Hofmann sagt: „Wir haben am Ende die Rückkehr immer weiter hi-nausgeschoben.“ Es sei eine Tour gewesen, bei der sie sich wie Sandkörner durch Raum und Zeit bewegt hätten. Trotz einiger schlechter Erfahrungen überwiege die Faszination für Menschen und Länder. Inzwischen seien sie als Rucksacktouristen nach Äthiopien zurückgekehrt, um die Leute besser einschätzen zu können als vom Fahrradsattel aus. Warm geworden sind sie nach der Rückkehr nicht wieder in Deutschland, einem der reichsten Länder der Erde, das aber ohne Suppenküchen, Hartz IV und Zeitarbeit nicht auskommt. Hier sei auch erst ihr Fahrrad gestohlen worden, sagt Frau Hofmann. Nun wollen sie ihre Wohnung verkaufen, nächstes Jahr irgendwohin gehen und angesichts der Armut helfen, wenn es notwendig ist.