Der mit den giftigen Schlangen spielt
Weißenfels/MZ. - "Wie sich diese Exoten ohne Beine bewegen, das ist schon beeindruckend", erklärt der 63-jährige Experte für Giftschlangen, Nattern, Spinnen und Echsen. Auch den Bewegungen der Fische im Wasser könnte Hergert stundenlang zusehen, und dass Vögel fliegen können, findet er spannend. "Wir Menschen sollten uns viel mehr Zeit nehmen, uns auf eine Bank setzen und die Tiere beobachten", siniert der Weltenbummler.
Vor 25 Jahren begann der Individualist auf einem Rübenfeld im niedersächsischen Schladen / Nordharz, der Heimat seiner Mutter, mit dem Aufbau einer Schlangenfarm. "Wir haben ganz klein angefangen", blickt er zurück. 64 Tiere der heute größten Farm ihrer Art in ganz Europa zeigt der Inhaber seit Mittwoch im Weißenfelser Seumeclub. Die gelbe Anakonda, eine Diamantklapperschlange, die rote Königsnatter und die Kraushaarvogelspinne gehören dazu. Hauptattraktion ist die weiße Schlange, ein Albino-Tigerpython, den stets alle Besucher zuerst sehen wollen. Schulklassen bilden da keine Ausnahme. Sie führte Hergert, der bisher 26 Länder bereist hat, durch sein im großen Saal aufgebautes "Afrikahaus" mit Kobras und Pythons aus vier Kontinenten: aus Europa und Asien, Afrika und Amerika. "Kinder sind die Kunden von morgen", stellt er immer wieder während seiner spannungsgeladenen Vorführungen fest. Kinder seien spontan, offen und wissbegierig.
"Eigentlich wollte ich hier gar nicht ausstellen", bekennt Jürgen Hergert. Schon allein das Finden des soziokulturellen Zentrums sei für ihn eine Tortur gewesen. Das meint der Autor des im vergangenen September erschienenen Buches "Mit Schlangen auf Du und Du" und ehemalige Leistungssportler der Leichtathletik kopfschüttelnd. Kein Mensch, den er in Weißenfels nach dem Weg gefragt habe, wusste mit dem Namen des Clubs etwas anzufangen. Dann schließlich konnte jemand an einer Tankstelle genauestens Auskunft geben, und den Weg beschreiben und - der Irrfahrt durch die Stadt ein Ende setzen. "Als ich das heruntergekommene Gebäude des Clubs sah, bekam ich die nächste kalte Dusche", schildert er, der eigentlich nur in großen Einkaufszentren ausstellt, seine Eindrücke. "Aber die hartnäckige Chefin hat mich überzeugt", gesteht Hergert, der das Herz auf der Zunge trägt und kein Blatt vor den Mund nimmt. "Die Frau hat Power, Herzensbildung und ist ein Improvisationskünstler - so wie ich", stellt er Gemeinsamkeiten mit Ilonka Struve, der Leiterin des Seumeclubs, fest. Deshalb habe er beschlossen, seine Schlangen in Weißenfels zu präsentieren und über "Gift, das Leben rettet" zu sprechen. "Das ist hier in Weißenfels mein 121. Einkaufscenter", versichert er augenzwinkernd. Bis 2008 sei er in punkto Ausstellungen ausgebucht, die er bis dahin noch in der Schweiz, in Österreich, Holland, Tschechien und Slowenien zeigen werde.
Wenn Schlangen-Jürgen seine Farm verkauft hat - und das hat er fest vor - will er sich noch ein paar Träume erfüllen. "Ich habe dem Tod mehrfach ins Auge geblickt", gibt der agile Artenschützer zu, während er zwischendurch die Scheiben der Terrarien im Afrikahaus wienert. Er, der vor fünf Jahren seine Ärzte verblüffte, weil er den Biss einer schwarzen Mamba überlebt hat, will mit seiner Frau Kirsten endlich reisen. Außerdem habe er vor, die Tuaregs als Beduinenvolk in Tunesien und Marokko wiederzusehen. Auch den Wike-Indianerstamm, bei dem er ein halbes Jahr in Südamerika am Amazonas gelebt hat, will er besuchen. "Und dann gibt es da noch ein sehr verlockendes Angebot von RTL, Tierfilme zu drehen, das mich unwahrscheinlich reizt", ist Jürgen Hergert in seinem Element.
Noch viel Interessantes von der Welt zu sehen, hat er sich als großes Ziel gesetzt. "Um nichts bereuen zu müssen, weil das Leben verdammt kurz ist", versichert er. Das habe der drahtige Schlangenexperte mit dem eisernen Lebenswillen erst begriffen, als er schwer krank war.