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Bürgerinitiative für Abwasserabgaben Bürgerinitiative für Abwasserabgaben: Warum der Vorsitzende Gotthelf nun hinschmeißt

Von Alexander Kempf 08.08.2019, 05:00
Die Bürgerinitiative für sozial gerechte Abwasserabgaben hatte mehrere Demos vor der Marienkirche initiiert und dabei sehr großen Zuspruch erfahren - wie hier auf dem Archivbild aus dem Sommer 2014.
Die Bürgerinitiative für sozial gerechte Abwasserabgaben hatte mehrere Demos vor der Marienkirche initiiert und dabei sehr großen Zuspruch erfahren - wie hier auf dem Archivbild aus dem Sommer 2014. Michael Thomé

Weissenfels - Die Bürgerinitiative für gerechte Abwasserabgaben kann nicht mehr auf die Hilfe von Wolfgang Gotthelf bauen. Der ehemalige Stadtrat aus Borau hat nicht nur auf sein Mandat im Borauer Ortschaftsrat verzichtet, sondern will auch nicht länger Vorsitzender des Vereins „Bürgerinitiative für sozial gerechte Abwasserabgaben im Zweckverband für Abwasserentsorgung Weißenfels“ sein.

Vorsitzende der Bürgerinitiative schmeißt hin

Für Irritationen hatte die Art und Weise seines Rückzugs gesorgt. Denn wie Mitglieder des Vereins auf Nachfrage der MZ bestätigen, hatte Wolfgang Gotthelf in einem Schreiben an das Amtsgericht Stendal erklärt, den Vorsitz niederzulegen und den Vorstand des Vereins zum 18. Juli zu verlassen. Doch so einfach kann man als Vorsitzender einem Verein nicht den Rücken kehren. Dazu muss erst eine Vorstandssitzung einberufen werden. Genau das wollen die verbliebenen Vorstandsmitglieder nun innerhalb von 14 Tagen tun. Sie versichern gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung, dass die Arbeit des Vereins fortgeführt werde.

Warum aber scheidet Wolfgang Gotthelf aus? In einer Stellungnahme im Internet kritisiert er, dass sich Vorstandsmitglied Monika Zwirnmann (Bündnis für Gerechtigkeit) nach der jüngsten Stadtratswahl der CDU-Fraktion angeschlossen hat. Wolfgang Gotthelf verpasste den Einzug in den Stadtrat. In der vorhergegangenen Legislaturperiode waren beide noch Teil der gemeinsamen Stadtratsfraktion von Grünen und dem Bündnis für Gerechtigkeit. Letzteres war aus der Bürgerinitiative für gerechte Abwasserabgaben hervorgegangen. Für Nachfragen der MZ zum Thema stand Wolfgang Gotthelf am Dienstag nicht bereit.

Neben Wolfgang Gotthelf zieht sich offenbar auch Vorstandsmitglied Köhler aus Verein zurück

Monika Zwirnmann bedauerte gegenüber der Zeitung den Entschluss von Wolfgang Gotthelf. Zugleich verteidigte sie ihre Entscheidung, Teil der neuen CDU-Fraktion zu sein. Für diese ist sie jüngst in den Verwaltungsrat der Abwasserbeseitigung Weißenfels AöR gewählt worden. Für sie ein klarer Erfolg, der ihrer ehemaligen Fraktion im vorherigen Stadtrat nicht gelungen ist.

Da sich neben Wolfgang Gotthelf offenbar auch Vorstandsmitglied Ulrich Köhler aus dem Verein zurückziehen möchte, muss sich dieser nun neu sortieren. „Die Lücke muss geregelt werden“, sagt dazu Anke Thies, die Anwältin des Vereins. Sorgen um dessen Zukunft seien unbegründet. Der Verein hatte zeitweise rund 1500 Mitglieder, von denen jedes 50 Euro einzahlte, um damit Rechtsverfahren gegen die aus Sicht der Bürgerinitiative ungerechtfertigte Abwasserabgaben bezahlen zu können.

Beiträge „erheblich zu niedrig kalkuliert und festgesetzt worden“

Wie Anke Thies informiert, unterstützt der Verein der Bürgerinitiative derzeit noch zwei Verfahren, darunter eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Letzteres sei seit 2017 anhängig. Die Rechtsanwältin aus Halle zeigt sich zuversichtlich, da die Beschwerde zumindest noch nicht abgelehnt worden ist. „Denn das hätten sie schon hingekriegt“, so Anke Thies wörtlich. Wann über die Verfassungsbeschwerde entschieden werde, sei aber noch „völlig unabsehbar“.

Ein von der Bürgerinitiative unterstütztes sogenanntes Normenkontrollverfahren gegen die Stadt Weißenfels hatte im letzten Sommer für eine unschöne Überraschung in der Saalestadt gesorgt. Beanstandet wurde vom Oberverwaltungsgericht damals, dass die Beiträge „erheblich zu niedrig kalkuliert und festgesetzt worden“ sind, was einem Bumerang gleich kam. Denn die Stadt müsste die Beiträge in ihrer Satzung nun nach oben und nicht nach unten korrigieren.

Derzeit läuft sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig

Erreichen wollte die Weißenfelser Bürgerinitiative dabei eigentlich, dass industrielle Abwassereinleiter wie das Tönnies-Fleischwerk stärker zur Kasse gebeten werden. Denn die Kläranlage in Weißenfels werde zum Großteil vom Schlachthof in Anspruch genommen, so die Argumentation damals. Die Gleichbehandlung von industriellen Großeinleitern und kommunalen Einleitern ist vom zuständigen Oberverwaltungsgericht im vergangenen Sommer aber als rechtskonform bestätigt worden.

Da das Oberverwaltungsgericht eine Revision des Urteils ausgeschlossen hatte, läuft derzeit noch immer eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Hier hofft Anwältin Anke Thies bis September auf ein Urteil. Das dürften rund 4000 Grundstückseigentümer in Weißenfels mit Spannung erwarten. Denn ihnen droht je nach Ausgang eine Erhöhung der Abwasserbeiträge. (mz)