Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Mehrgenerationenhaus ist voller Erfolg
eckartsberga/MZ. - Jung und Alt unter einem Dach? Geht das gut? Hier und da sicherlich nicht - in Eckartsberga schon, wie Gerhard Bieling (72) und Michael Gradowski bestätigen. Zwar besteht die Zeit der "Probe" noch nicht allzu lange, denn der Senior zog erst im Herbst des Vorjahres ein, andere ein paar Monate später. Aber immerhin, bis jetzt läuft es prima, meinen beide. Treffe man sich auf der Straße oder im Haus dann werde selbstverständlich auch zusammen geredet und sich nach dem Befinden erkundigt, so der 40-Jährige. Und wenn dem Senior im Haushalt mal etwas fehle, dann habe er kein Problem, es mitzubringen. "Es funktioniert bis jetzt wunderbar", ergänzt Michael Gradowski. Etliche aus dem Haus arbeiten in Schichten, da müsse man zudem Ruhe bewahren.
Ähnlich sieht es Gerhard Bieling, der jahrelang in der Kreisstraßenmeisterei arbeitete, erst in Laucha, später in Naumburg. Es lebe sich prima in dem Mehrgenerationenhaus. Das Kohlenschleppen falle für ihn nun weg, das Treppensteigen ebenfalls und auch mit der Toilette in der alten Wohnung, das sei nicht mehr zeitgemäß gewesen. "Herr Bieling hatte tatsächlich einen üblen Wohnstandard", sagt Bürgermeisterin Marlis Vogel (CDU). Sie freue es umso mehr, dass er nun komfortabel untergebracht sei. Und das auch noch in einem historischen Gebäude, denn sichtlich stolz berichtet sie, dass einst Napoleon höchstpersönlich in diesem Haus zweimal übernachtete, siebenmal sei er durch Eckartsberga gezogen. Aus dem Grund soll auch in der unteren Etage eine Heimat-stube mit eingerichtet werden, in der der Franzose natürlich gebührend dargestellt wird. Aber das sei noch längst nicht soweit.
Erst mal könne die Stadtverwaltung tiefer durchatmen, denn der Bau des Mehrgenerationenhauses habe Kraft und Geld gekostet. Und da gab es auch Widerstand im Stadtrat, nicht alle hätten Hurra gerufen, so die Bürgermeisterin. ",Wir übernehmen uns', sagten damals einige Räte", ergänzt sie. Doch viele Optionen bestanden nicht - das in einem erbärmlichen Zustand bestehende Haus abreißen oder sanieren. Wie es so ist im Leben, der Zufall half den Eckartsbergaern weiter: Irgendwann besuchten schwedische Senioren das Städtchen. Die erfuhren von dem Vorhaben und schwören darauf, dass Jung und Alt als Wohnform zukunftsträchtig sei. Doch so schnell schießen die Preußen nicht - vorsichtshalber fuhren einige Räte nach Schweden, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Und: sie waren begeistert. Der Großteil der Wohnungen des Mehrgenerationenhauses sei gut vermietet worden, es habe bei den Einwohnern großes Interesse bestanden. Kein Wunder, schließlich sind alle Wohnungen mit dem Fahrstuhl erreichbar, Parkplätze stehen im Hof zur Verfügung, es gibt Räume für den Seniorenklub. Heute kann getrost gesagt werden: Das schwedische Experiment in Eckartsberga ist geglückt. "An und für sich müssten wir in mehreren Orten dieses Modell praktizieren", erklärt Götz Ulrich (CDU), Bürgermeister der Verbandsgemeinde An der Finne. Der Bedarf sei da, gerade in vielen ländlichen Gemeinden. Aber er nannte zugleich den Haken - es scheitert am Geld. Zumindest soll versucht werden, auf einer in der Nähe befindlichen Baulücke ein weiteres Haus zu errichten, das Betreute Wohnen mit 65 Plätzen. "Noch steht es zur Diskussion", so Götz Ulrich. Aber der Bau würde Sinn machen, Eckartsberga benötige dringend so eine Einrichtung.
Aber das sei Zukunftsmusik. Momentan gehe es um das Nächstliegende - die regelmäßigen Treffs des Seniorenklubs. Der werde gut angenommen, meinen Gudrun Böhme und Jutta Mösezahl, die sich um den Klub bemühen. "Unsere Irmgard Stumpf, sie ist 88, holen wir beide von zu Hause ab und bringen sie auch wieder zurück", sagt Gudrun Böhme. Denn: In Eckartsberga werde keiner zurückgelassen.