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Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Handarbeit wie im Mittelalter

Von CORNELIA FUHRMANN 29.07.2011, 19:34

MUSCHWITZ/MZ. - "Für die große Glocke muss man schon ein bisschen Kraft und vor allem Gewicht mitbringen", witzelt Jens Wojtyschak und blickt grinsend zu seinen beiden "Glöckner-Azubis" Lukas Winter und Roland Potzelt. Das große Bronzeteil entwickele nämlich einiges an Schwung, wenn es geläutet werde, so dass man auch schon mal die Bodenhaftung verliere, so der 23-Jährige. Schließlich ist das Glockenläuten, anders als in den meisten Kirchen, in dem Lützener Ortsteil echte Handarbeit. Wie im Mittelalter.

Zwei Taue befinden sich eine Etage unterhalb des Glockenstuhls, eines für die große und eines für die kleine Glocke. Und die gilt es zu läuten, bitteschön aber im Versatz sowie mit Klangmelodie und das für immerhin fünf Minuten am Stück. Jedes erste Wochenende von 18 Uhr bis 18.05 Uhr sowie zu Festen erklingen sie, ermöglicht durch freiwilliges Engagement.

"Unsere Mitstreiter brauchen körperliche Fitness und Taktgefühl. Und sie müssen natürlich pünktlich sein", umreißt Jens Wojtyschak die Eigenschaften, die für das traditionsreiche Amt notwendig sind. In dem Kirchturmabteil, in dem die Glöckner ihrer Aufgabe nachgehen, werden sie daran erinnert. An den Wänden ringsherum haben sich alle verewigt, die es schon einmal innehatten, ob 1929, 1956 oder 2007. Die Arbeit zu zweit zu erledigen sei sinnvoll, weil die Taue in einigem Abstand voneinander hängen und die beiden Glocken unterschiedlich viel Kraftaufwand erfordern.

Doch das schreckt die beiden Jugendlichen, die in Muschwitz und Söhesten aufgewachsen sind, überhaupt nicht ab. Sie wollen mitmachen, damit die Glocken der Dorfkirche auch weiterhin wenigstens einmal im Monat erklingen können. "Eigentlich ist das doch selbstverständlich", findet der 16-jährige Lukas Winter. Auch Roland Potzelt, 17 Jahre jung und Abiturient, sieht das so. "Es gehört dazu, dass man hilft", sagt er. Angst vor der Verantwortung haben beide nicht, stattdessen sind sie schon ein bisschen stolz darauf, den Muschwitzern eine Freude zu machen. Denn die Kirche sei für viele Einwohner der Dorfmittelpunkt, das Glockengeläut gern gehört. "Learning by doing", heißt für die "Glöckner-Azubis" die Devise.

Jens Wojtyschak und sein Mitstreiter Jens Seume hatten dieses Amt vor vier Jahren übernommen und seither jedes Wochenende in der Dorfkirche Muschwitz ausgeübt. Doch es fehle aufgrund der Arbeit mehr und mehr die Zeit, zumal man sich abstimmen müsse, sagt Jens Wojtyschak. Seit vergangenem Herbst habe man daher die Einsätze zurückfahren müssen. Aber es ganz sein zu lassen, kam nicht in Frage. Deshalb musste Nachwuchs her. Den hat Jens Wojtyschak mit Lukas und Roland im örtlichen Jugendclub gefunden, in dem er sich neben Beruf, seiner Arbeit im Ortschaftsrat, in der Interessengemeinschaft Dorfkirche Muschwitz ebenfalls ehrenamtlich engagiert. "Nicht alle Jugendlichen sind für ein solches Amt zu begeistern, aber bei den beiden habe ich ein gutes Gefühl", sagt er zuversichtlich.

Es sei aber dennoch kaum zu realisieren, dass jedes Wochenende die Muschwitzer Glocken erklingen können. Auch Roland und Lukas seien durch Schule, Ausbildung und Sport anderweitig beschäftigt, so dass es erst einmal bei diesem Rhythmus bleiben werde. Das sei nun aber entspannter einzuhalten, weil sich die Arbeit im wahrsten Sinne auf mehrere Schultern verteile. Auch eine Mischung der "Teams" ist nun denkbar. Und weitere Interessenten seien gern gesehen.

Erster Einsatz der neuen "Glöckner" wird das erste Augustwochenende sein.