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Betreutes Wohnen für Jugendliche in Weißenfels Betreutes Wohnen für Jugendliche in Weißenfels: "Ich freue mich auf das Leben"

Von Klaus-Dieter Kunick 25.03.2016, 10:57
Michelle lebt in einem sogenannten Verselbständigungsplatz, das ist quasi eine eigene Wohnung, die die Awo eingerichtet hat. Jugendliche werden so auf das Leben vorbereitet. Demnächst wohnt die 18-Jährige dann in ihrer eigenen Wohnung.
Michelle lebt in einem sogenannten Verselbständigungsplatz, das ist quasi eine eigene Wohnung, die die Awo eingerichtet hat. Jugendliche werden so auf das Leben vorbereitet. Demnächst wohnt die 18-Jährige dann in ihrer eigenen Wohnung. Peter Lisker

Weißenfels - Was um Himmels Willen verbirgt sich hinter einem Verselbstständigungsplatz? Der der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Weißenfels zudem noch extrem wichtig ist? Es handelt sich dabei um eine Wohnung. In die ist die 18-jährige Michelle eingezogen, die vor drei Jahren aus familiären Gründen von zu Hause aus- und in das Fritz-Schellbach-Heim in Weißenfels einzog.

Im Fritz-Schellbach-Heim in Weißenfels leben derzeit 15 Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 18 Jahren. „Wenn die Betreffenden zu uns kommen, sind sie oftmals verzweifelt“, sagt Heimleiterin Monika Saupe. Es handelt sich im Vorfeld um „unlösbare Krisen“ in dieser Familie. Involviert in diesen Vorgang der Einweisung ist immer das Jugendamt. Sieben Erzieher sorgen sich rund um die Uhr um das Wohl der Kinder und Jugendlichen. Kdk

Besagter Verselbständigungsplatz, direkt neben der Awo-Geschäftsstelle gelegen, ist nun Michelles neues Zuhause. 28 Quadratmeter groß, ein Wohn- und Schlafplatz, eine Küche und ein Bad. Der Fernseher fehlt nicht, ein Kühlschrank ebenso wenig wie ein PC. Dass die junge Frau dort wohnt, hat einen guten Grund: Sie wird sozusagen auf das Leben vorbereitet. Ihr zur Seite steht von Anfang an Betreuerin Carola Hensel. „Ich bin damals herzlich aufgenommen worden, war aber zu schüchtern“, berichtet Michelle ein wenig verlegen. „Hier einzuziehen, war das Beste, was mir passieren konnte“, ergänzt die 18-Jährige, die derzeit die 10. Klasse besucht und im August eine Lehre als medizinische Fachangestellte beginnt. „Anderen zu helfen, das liegt mir“, fügt sie hinzu. Schon vor vielen Jahren mischte sie im Schulsanitätsdienst mit und eignete sich im Jugend-Rot-Kreuz weitere Kenntnisse an.

Doch in der jetzigen Wohnung bleibt Michelle nicht ewig, demnächst zieht sie in ihre eigene Bleibe. „Ich weiß ganz genau, wie meine Wohnung aussehen soll“, sagt sie und lacht fröhlich - das Wohnzimmer müsse farblich rot sein, versehen mit einer roten Couch und einer weißen Anbauwand. „Um sich das alles leisten zu können, ist ansparen wichtig. Dazu halten wir die Jugendlichen an“, sagt Carola Hensel. Es stehe monatlich nicht viel Geld zur Verfügung, aber selbst davon müsse jeder sparen. Um besagten Verselbständigungsplatz zu belegen, sei vor allem Vertrauen notwendig, erzählt die Betreuerin, die weiterhin sagt: „Michelle war eisern, sie hat sich viel zusammengespart.“

Nicht alle schaffen es

Dass es nicht einfach ist, in diesem sogenannten Verselbständigungsplatz zu bestehen, weiß die Awo-Mitarbeiterin nur zu gut. Ein Junge, der hier hätte einziehen können, lehnte das ab und blieb lieber in seinem Heim-Zimmer weiter wohnen. Michelle hingegen hat ihren Weg gut gemeistert, sich stabilisiert, so Carola Hensel, die zudem darauf verweist, dass auch Patricia, die Schwester von Michelle, vor sieben Jahren schon hier weilte und einen guten Weg eingeschlagen habe. „Es besteht ein guter Kontakt zu meiner Schwester“, sagt Michelle, die im gleichen Atemzug ergänzt: „Ich freue mich auf das Leben.“

Diesen guten Weg bewältigen bei Weitem nicht alle aus dem Weißenfelser Heim: „Von zehn Jugendlichen, die uns verlassen, schaffen es fünf, sechs“, sagt die Betreuerin. Alle anderen kommen oftmals auf die schiefe Bahn. „Sie haben nicht die Kraft, sich von ,alten Freunden’ abzuwenden“, erklärt Carola Hensel. „Wer nicht mit Geld umgehen kann, der hat ein Problem und strauchelt meistens“, weiß Carola Hensel aus Erfahrung. Wohl oder übel beginne dann der Teufelskreis für diejenigen von vorn. Nur: Dann sei das Kinder- und Jugendheim nicht mehr dafür zuständig. (mz)

In ihre neue Wohnung nimmt die junge Frau auch dieses Fotoalbum mit, das sie an schöne Stunden erinnern soll, wie hier anlässlich einer Exkursion.
In ihre neue Wohnung nimmt die junge Frau auch dieses Fotoalbum mit, das sie an schöne Stunden erinnern soll, wie hier anlässlich einer Exkursion.
Peter Lisker