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Bauernhof  Bauernhof : Starke Männer und Pferde

Von Julia Reinard 18.09.2017, 07:32
Gerhard Deparade mäht selbstverständlich mit einer Sense.
Gerhard Deparade mäht selbstverständlich mit einer Sense. Michael Thomé

Michlitz - Tschak, tschak, tschak, so wird auf dem Feld des Grünlandtages im Lützener Ortsteil Michlitz Gras gemäht. Mit der Sense. Mit gekonnter Drehung aus der Hüfte. Mit jeder Menge Schweiß am sommerlich warmen Sonnabend - zumindest bei den meisten der 26 Teilnehmer des Sensenmäh-Wettbewerbs. Gerhard Deparade jedoch schneidet in Hemd und Krawatte. Zu schwitzen scheint er nicht.

Dabei ist Deparade dieses Jahr noch gar nicht so richtig im Mäh-Schwung. Denn voriges Wochenende sollte es mit der täglichen Mahd losgehen, doch da hagelte es und so fehlt ein bisschen die Übung. Voriges Jahr war es besser gelaufen. Da hatte er täglich eine Dreiviertelstunde auf dem Feld gestanden und „Gras gehauen“, also mit Handarbeit Grasflächen gemäht. Von Mitte Mai bis Dezember sei das voriges Jahr möglich gewesen, sagt der Mann aus aus dem thüringischen Lehnstedt.

Dieses Mal hatte Gerhard Deparade seine eigene Sense mitgebracht. Er ist an sie gewöhnt, mäht er doch „seit 30, 40 Jahren“ damit und sagt voll Überzeugung: „Ich mähe mit der Sense. Eine Motorsense? Nicht mit mir, die macht nur Krach.“

Enthusiasten wie ihn zeichnet der Grünlandtag in Michlitz aus. Und der erste Begeisterte unter ihnen ist Organisator Andreas Sack. Er hat eine Woche Urlaub genommen, um das zweijährlich stattfindende Ereignis vorzubereiten, hat mit vielen Helfern aufgebaut, ist am Sonnabend immer auf Achse - und nimmt sich dennoch die Zeit, mit seinem Pferdegespann eine andere Mähtechnik zu zeigen und sich dabei im Wettkampf zu messen.

Als einer von sechs Teilnehmern zeigt er im Pferdegrasmäh-Wettkampf, wie ohne Benzin Gras geschnitten werden kann. Dafür ziehen zwei Pferde einen Apparat auf Rädern. Über die Bewegung der Räder kommt das Gespann nicht nur vorwärts, sondern bewegt e über ein Gestänge das sogenannte Messermähwerk . An der Seite des Apparats ragt dieses wie ein überdimensionaler Kamm heraus. Die Zacken des „Kamms“ halten die Halme aufrecht, integrierte, sich durch die Räder bewegende Doppelmesser schneiden das Gras ab.

Wenn Andreas Sack auf seinem Wagen sitzt, lässt er mit einem Ruck das Messermähwerk fallen und fährt Gerade um Gerade durch das ihm zugeloste Feldstück. Kein Anhalten, kein Absetzen. Ein Konkurrent hat mehr Probleme. An seinem Messermähwerk häuft sich das Gras, immer wieder springt er ab und muss das geerntete Gras vom Werk herunterziehen.

Wie bei allen Wettkämpfen gibt es eine unparteiische Jury. Hier schaut sie sich an, wie flach das Gras geschnitten wurde und wie ordentlich die Bögen der geernteten Halme (Schwadlegung) liegen.

Ein anderer Konkurrent Sacks ist Sven Hubert. Der Bio-Bauer aus dem nordhessischen Oberellenbach führt sein Gespann ganz selbstverständlich durchs Feld. Kein Wunder, es ist bei ihm ständiges Arbeitsmittel. Seine Pferde gehören zur Landwirtschaft dazu, sagt er. Er setze sie parallel zum Trekker ein, nutze sie zum Pflügen, Wenden, Schwaden Legen und Holzrücken.

Da das nicht überall der Fall ist, wollen Sack, seine Mitstreiter und die Mitwirkenden einen Einblick geben, wie Landwirtschaft früher betrieben wurde. Dazu gehören auch Handwerke, die nahezu ausgestorben sind. Andrea Herrling aus Breditz, einem Ortsteil von Vitzenburg (Saalekreis), beispielsweise zeigt, wie man Wolle spinnt. Sie strickte und häkelte schon seit Jahren. Sie wollte aber gern was Neues dazulernen und suchte eine Verwendung für die hauseigene Schafwolle - und entdeckte so das Spinnen für sich. Bettina Borchers fachsimpelt gleich mit ihr über die Vorzüge echter Schafswolle - nämlich temperaturausgleichend zu sein, nicht nur im Winter, auch im Sommer. Sie ist mit ihrem Mann beim Grünlandtag, um bei der Fohlenschau ihre Fell-Ponys zu präsentieren.

Einfach nur zum Gucken sind Florian und Sylvana Elas samt Sohn gekommen. Sie haben den Besuch bei ihren Eltern extra auf dieses Wochenende gelegt, weil Mutter Petra Helke so von der Veranstaltung geschwärmt hatte.

Sie konnten sich nicht nur das Mähen anschauen, sondern ebenso jede Menge Tiere, einen Hufschmied bei der Arbeit, Pferde, die Gewichte ziehen oder einen Trupp aus Sachsen, der sich „Selbitzer Sensenmäher“ nennt - und nicht nur mäht, sondern die Sensen auch quetscht (die Schnittkante zieht) und dengelt (damit sie dünn wird). Erst dann komme das Schärfen. So müsste die Sichel eine Saison halten, sagt Sensenmäher Heiko Müller.

(mz)