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Auf Zeitreise durch Deutschland

Von KARIN GROSSMANN 10.11.2009, 18:17

WEISSENFELS/MZ. - Der eigentlich in Berlin lebende Journalist und Buch-Autor Christoph Dieckmann hat weder den Mauerfall am 9. November 1989 dort erlebt, noch das 20-jährige Jubiläum, bei dem am Montagabend in der deutschen Hauptstadt noch einmal symbolhaft und geschichtsträchtig Mauersteine zum Fall gebracht wurden.

Vor 20 Jahren war er mit Freunden in Genf, jetzt, am Montag in Weißenfels. Im städtischen Museum im Schloss Neu-Augustusburg las er im Rahmen des Literaturherbstes an Saale, Unstrut und Elster aus seinem erst in diesem Jahr neu erschienenen Buch "Mich wundert, dass ich fröhlich bin". Es handelt sich um eine Deutschlandreise durch Ost und West. Lange Zeit habe er es als Autobiografie betrachtet. Es sei aber eine Zeitreise des bekennenden Ostdeutschen der für seine literarischen Reportage-Erzählungen mit Preisen gekrönt wurde. In der ersten Geschichte des Buchs, aus dem er den 50 aufmerksamen Zuhörern vorliest, verbindet der 53-Jährige die Gegenwart mit ganz persönlichen Erinnerungen aus der Zeit vor der Wende in Deutschland.

"Für mich ist die Mauer drei Mal gefallen", sagte Dieckmann. Der in Rathenow (Brandenburg) geborene Sohn eines Pfarrers hatte sich zunächst zum Filmvorführer ausbilden lassen, studierte dann Theologie. Als Vikar arbeitete er danach für die evangelische Studentengemeinde von Ost-Berlin und Berlin-Buch, schrieb damals bereits für die Kirchenzeitungen und kulturpolitische Wochenzeitungen der DDR. Drei Mal durfte er zu jener Zeit in den Westen reisen, erklärte er. Beim dritten Mal, unterwegs mit Freunden, hörte er im Autoradio vom Mauerfall.

Seit 1991 ist Dieckmann Mitarbeiter der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit", war für den Osten Deutschlands der Fachmann. Bis 2005 sei er Redakteur gewesen, seitdem fester freier Mitarbeiter und Autor. Mit seinen Essays und Reportagen über das Leben in der späten DDR und in den neuen Bundesländern hat er sich einen Namen gemacht. Über die Rockmusik schrieb er, auch über Sport, vor allem Fußball, und dann besonders über Erlebnisse des FC Carl Zeiss Jena. Der spielt auch im aktuellen Buch eine Rolle, nahmen die aufmerksamen Weißenfelser wohlwollend zur Kenntnis. Während Dieckmann vorlas, lächelten mancher Zuhörer immer mal wieder, andere nickten. Der grauhaarige, Brille tragende Autor, der die lange Mähne zum Zopf gebunden hatte, las Erinnerungen vor, die die Zuhörer teilten.

Die Frage "Können Sie noch?" blieb nach gut einer Stunde unbeantwortet. Weiterlesen sollte er. Nach anderthalb Stunden beendete er die erste Geschichte des Buches "Mich wundert, dass ich fröhlich bin". Die folgenden seien in diesem Buch kürzer, sagte der Autor, könnten nachgelesen werden. Nicht nur Christoph Dieckmanns neuestes Buch bot Jana Sehm von der Seumebuchhandlung nach der Lesung im Schloss an. Der Autor selbst hatte eine Rarität mitgebracht, das 2002 als Hörbuch erschienene Buch "Das wahre Leben im falschen. Geschichten von ostdeutscher Identität"( 1998).

Am Ende sprach der Bücher signierende Autor, von dem ein Wiederkommen mit dem nächsten Buch erwartet wird, vom Begreifen, dass die ostdeutschen und westdeutschen in einem Boot sitzen. Zurzeit könne er Mauerfall nicht mehr hören, doch das Jubiläum werde noch ein Jahr lang gefeiert, bis die deutsche Einheit 20 Jahre alt wird.

Die Lesung gehörte zum Begleitprogramm der Sonderausstellung "4850 06667 Weißenfels - 20 Jahre friedliche Revolution", die bis Sonntag im Schloss Neu-Augustusburg zu sehen ist. Das Museum ist dienstags bis sonntags von 10 bis 16 Uhr geöffnet.