Auf Wüstensand gebaut Auf Wüstensand gebaut : Löst ein Weißenfelser die Bauprobleme der Golf-Staaten?

Weißenfels - Dubai, Shanghai, Weißenfels: Helmut Rosenlöcher pendelt derzeit zwischen den Weltmetropolen und seiner Heimatstadt im Burgenlandkreis. Der 72-jährige Chemiker führt als technischer Direktor die Münchner Firma Multicon. Dabei handelt sich um eine Startup-Firma und wie bei vielen Startups gibt es eine revolutionäre Geschäftsidee: „Wir wollen die Sandknappheit in der Welt beenden“, sagt Rosenlöcher.
Sandknappheit? Ja. Bereits vor einigen Jahren sorgte der Dokumentarfilm „Sand - Die neue Umweltzeitbombe“ für Aufsehen. Darin wird geschildert, wie der Wüstenstadt Dubai der Sand ausgeht. Durch den Bauboom in den Vereinigten Arabischen Emiraten werden große Mengen Bausand benötigt.
Die Welt baut mit Sand - doch Wüstensand ist dafür nutzlos
Doch Wüstensand ist weitgehend nutzlos, weil er vom Wind rund geschliffen wurde und sich nicht mehr für die Bauwirtschaft eignet. Inzwischen werden riesige Mengen Sand per Schiff aus Indien und Australien importiert. Rosenlöcher ist davon überzeugt, das ändern zu können.
Jeder Deutsche verbraucht rein rechnerisch ein Kilogramm Stein pro Stunde. Pro Jahr sind es etwa neun Tonnen. Sand und Gestein wird nicht nur zum Bauen von Straßen und Häusern verwendet, es steckt auch in Glas, Kosmetik oder Zahnpasta.
Deutschland ist reich an Kies und Sand, und dennoch werden diese knapp. Ein Großteil der Sand-, Kies- und Natursteinvorkommen Deutschlands sei durch konkurrierende Nutzungen wie nationale und europäische Wasser-, Natur- und Landschaftsschutzgebiete sowie überbaute Flächen nicht mehr abbaubar, sagt Bert Vulpius, Geschäftsführer des „Unternehmerverbandes Mineralische Baustoffe“. Im Großraum München und in Baden-Württemberg würden die Preise inzwischen doppelt so hoch liegen wie in Mitteldeutschland. „Die steigenden Rohstoffpreise machen dadurch auch den Wohnungsbau teurer“, so Vulpius.
Die rund 2000 Sand- und Kiesgruben in Deutschland gewinnen im Jahr rund 240 Millionen Tonnen Bausand und Kies. Zum Vergleich: Das entspricht zwölf Millionen Lkw-Ladungen. In Sachsen-Anhalt werden laut Baustoffverband jährlich etwa zwölf Millionen Tonnen Bausand und Kies gefördert. Die Produktionsmenge sei seit dem Jahr 2000 stabil geblieben.
Der Erfinder sitzt in seinem Weißenfelser Haus am Küchentisch und gibt zunächst eine kurze Einführung in Sandkunde: Sandkörner würden nach ihrer Größe definiert. Sie hätten einen Durchmesser von 0,063 bis zwei Millimeter. Ihre Beschaffenheit entscheide, ob sie sich für den Häuserbau eignen. „Baufirmen benötigen Sand mit Ecken und Kanten“, sagt er. Nur diese würden Beton die nötige Festigkeit geben. Wüstensandkörner seien dagegen rund wie Murmeln.
Helmut Rosenlöcher findet neue Methoden für Wüstensand
Rosenlöcher beschäftigt sich bereits seit Jahrzehnten mit dem Thema Beton. Der studierte Chemiker, der im sächsischen Freiberg promovierte, arbeitete in der DDR in der Forschungsabteilung des Hydrierwerks Zeitz. Nach der Wende gründete er mit seiner Lebenspartnerin eines der ersten Reisebüros Ostdeutschlands. Doch nach wenigen Jahren zog es ihn wieder in die Industrie - er leitete ein örtliches Betonwerk, das beispielsweise die Baustellen im Chemiepark Leuna belieferte.
Der Betonbedarf beim Bauen ist groß. Ein Superlativ: Beim Bau des höchsten Gebäudes der Welt, dem Burj Khalifa in Dubai mit 830 Metern Höhe, wurden 330.000 Kubikmeter Beton verwendet.
Rosenlöchers Ansatz war es zunächst, den teuren Zement bei der Beton-Herstellung zu reduzieren. Er entwickelte ein sogenanntes Suspensionsverfahren. Dabei wird der Zement nicht wie bisher mit 30 bis 40 Umdrehungen pro Minute mit Wasser gemischt, sondern in einer Art Hochgeschwindigkeitsmischer mit tausend Umdrehungen.
Helmut Rosenlöchers neuer Wüstensand-Beton funktioniert
„Da sich die Eigenschaften des Zements dabei ändern, ist weniger davon nötig, um Sand und Kies im Beton zusammenzuhalten“, erklärt Rosenlöcher. Den eingesparten Zement nutzt er nun zur Lösung des Sandkörner-Problems. „Wir mahlen den Sand zunächst zu feinem Sandstaub“, sagt er.
Anschließend werde das Pulver mit dem Bindemittel Zement gemischt und es entstünde ein Granulat, das als Bausand-Ersatz verwendet werden könne. „Es ist, als ob man Schnee zu einer Schneekugel zusammenrollt.“ Das Verfahren hat Rosenlöcher sich patentieren lassen. Warum ist vor ihm niemand auf die Idee gekommen? Rosenlöcher antwortet mit einer Gegenfrage: „Warum wurde der Reißverschluss nicht eher erfunden?“ Die besten Erfindungen seien immer die einfachsten.
Das angesehene Institut für Angewandte Bauforschung (IAB) in Weimar (Thüringen) hat das Granulat getestet. „Es kann aus unserer Sicht problemlos zur Betonherstellung in Wüstenregionen verwendet werden“, sagt Forschungsleiterin Barbara Leydolph der MZ. Der Baustoff habe jedoch noch Probleme bei Frost. „Es muss noch an der Rezeptur gefeilt werden, damit er auch hierzulande einsetzbar ist“, erklärt Leydolph.
Erste Firma für Wüstensand-Beton ist in Planung
Multicon-Chef Leopold Halser und Rosenlöcher haben nun private Investoren gefunden, die ihr Projekt finanziell unterstützen. Der Industriemaschinen-Hersteller Haver & Boecker hat in ihrem Auftrag die ersten großtechnischen Anlagen geplant. „Eine erste Suspensions-Anlage soll in den kommenden Tagen im chinesischen Shanghai in Betrieb gehen“, sagt der Weißenfelser.
Für Aufsehen sorgte ihre Innovation auch auf einer Bau-Fachmesse in der Stadt Scharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Scheichs sehen die Möglichkeit, die teuren Sandtransporte ins Land zu beenden. „Wir wollen eine Produktionslizenz nach Saudi-Arabien vergeben“, sagt Rosenlöcher. Dort sollen von verschiedenen Firmen 40.000 bis 50.000 Wohnungen mit dem Verfahren errichtet werden.
Aus Deutschland hat Multicon noch keine Anfragen erhalten. In seiner Beurteilung klingt Rosenlöcher wie ein waschechter Startup-Gründer: „Von hiesigen Banken für ein solches Projekt eine Finanzierung zu bekommen, ist fast aussichtslos.“ Chinesische Investmentgesellschaften würden ihnen dagegen sogar hinterherreisen. Drei Jahre noch, bis zu seinem 75. Geburtstag, will Rosenlöcher das Projekt noch vorantreiben. Bis dahin will er das Bausand-Problem gelöst haben. (mz)