"Archäologie im Revier" "Archäologie im Revier": Gold und Grusel in schwarzbrauner Erde

hohenmölsen/MZ - Tief verwurzelt ist das Gemeinschaftsgefühl im traditionsstolzen Berufszweig der Bergleute. Geradezu tragische Größe hat der Braunkohletagebau: Dessen Mythos sind die Förderbrücken und die Winterschlachten, doch es werden Landschaften verwüstet und Dörfer umgepflügt. Ein Verlust, ja, aber eine Frage der Einsicht und des Stolzes auf Wohlstand und Fortschritt, den der Bergbau bringt. So kann man es in Hohenmölsen hören.
Die Stadt im mitteldeutschen Revier ist unter anderem Heimat von 800 Bewohnern aus dem „devastierten“ Großgrimma, deren Kapitulation vor den Baggern mit einem eigens für sie gebauten Stadtteil und sogar einer Kulturstiftung belohnt wurde, die „die Menschen der Region für ihre Geschichte sensibilisieren“ soll. Das Haus der Stadtgeschichte am Altmarkt liegt im Schatten des Turms der gut 400-jährigen Stadtkirche. Der steht fest auf demselben Boden, für dessen Schätze die Dorfkirchen in der Gegend fallen müssen.
Aber die Leute, die an einem Abend der vergangenen Woche zu Hunderten ins Haus drängen, im Saal keinen Platz finden und die Treppe hinunter bis zur Eingangstür stehen, sie lockt ein anderer Mythos vom Tagebau: „Archäologie im Revier“. Eng und fruchtbar, heißt es beim halleschen Landesamt für Archäologie, sei die Zusammenarbeit mit der Braunkohlegesellschaft Mibrag. Die Allianz von Bagger und Spaten hat eine lange Tradition, wie jeder weiß, der schon einmal im Geiseltalmuseum war. Nicht nur das schwarze, auch das gelbe Gold würde heute noch unentdeckt im Boden liegen, gäbe es die Bagger nicht. Deren Schaufeln heben vergangene Kulturen, die ihre Würdenträger mit Gefäßen aus Edelmetall, mit Schmuck, Waffen, Kleidung und selbst Haustieren begruben.
Zwar wird man nie erfahren, wie viel Kulturgeschichte unbemerkt auf den Förderbändern gelandet ist, aber das, was das hallesche Landesmuseum für Vorgeschichte den Hohenmölsenern aus den Grabungen im Tagebau Profen zeigt, gehört doch zu den Glanzlichtern der „Archäologie im Revier“. Grabungsleiterin Susanne Friedrich erzählt schwungvoll von der „unfassbar reichen Germanin“, deren Goldschatz zusammengenommen 400 Gramm wiegt, darunter ein Goldreif nach pompejanischem Vorbild.
Der allerdings ist auf Reisen und auch sonst bekommen die Besucher eher die Funde aus der Jungsteinzeit zu sehen, die Schnurkeramik und Glockenbecher, daneben geschliffene Speerspitzen aus Feuerstein und winzige, durchlochte Plättchen aus Knochen, die in der Damenmode als Pailletten dienten.
Von der Römerin hingegen wird das Glitzerwerk nicht, dafür aber eine andere, allerdings gruselige Sensation gezeigt, und zwar erstmals: der Rest einer Ledertasche mit Überschlag, besetzt mit ungezählten Reihen von Anhängseln, die aussehen wie elfenbeinerner Zierrat. Doch es sind Hundezähne, genauer gesagt ausgeschlagene Backenzähne, von denen die Kürschner mehr als 500 verarbeiteten – ob die Tiere erschlagen oder die Zähne über Zeit gesammelt wurden, weiß niemand.
Indes hört man im Saal, dass 2015 mit Profen/Domsen das nächste Tagebaufeld erschlossen wird und Archäologen den Mutmaßungen örtlicher Historiker nachgehen wollen, die die Schlacht Heinrichs IV. gegen Rudolph von Schwaben vom Oktober 1080 in dieser Gegend vermuten. Man wird sie hinterher nie mehr wieder finden, aber der Bergmannsstolz ist unerschütterlich in seiner Einsichtsfähigkeit: „Herkunft schafft Zukunft“, sagt Andy Haugk, Hohenmölsens Bürgermeister, und wünscht allen, dass sie gut sei.
Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte Hohenmölsen, Altmarkt 2, bis zum 8. Sept., Mo, Mi 9-16.30, Di, Do 9-17, Fr 8-15.30 Uhr.